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Vom Nehmen Und Genommenwerden

Titel: Vom Nehmen Und Genommenwerden
Autoren: Peter A. Schroeter , Doris Christinger
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fühlen, denken und handeln.
    Die neue Selbstsicherheit der Frau erklärt zumindest teilweise, warum wir heute mit steigenden Scheidungsraten konfrontiert werden, Paartherapien boomen und klassische Familienstrukturen bald der Vergangenheit angehören werden. Frauen sind erfolgreich und können mehr erreichen als früher. Sie studieren, bekommen Kinder oder auch nicht, machen Karriere, sind finanziell unabhängig. Sie brauchen keinen Mann mehr, der sie ernährt und beschützt. Doch für diese Freiheit zahlen sie einen sehr hohen Preis. Um »ihre Frau zu stehen«, müssen sie besser sein als der beste Mann. Dafür büßen sie die urweiblichen Eigenschaften ein. Will eine Frau in die Chefetage, muss sie ehrgeiziger, durchsetzungsfähiger und kaltblütiger sein als jeder Mann. Wie aber soll sie sich dann nach getaner Arbeit einem Mann wirklich hingeben können? Die meiste Zeit werden von ihr aggressive, männliche Verhaltensweisen gefordert. Längst sind ihr diese in Fleisch und Blut übergegangen, und zu Recht feiert sie ihre Erfolge. Aber sie hat vergessen, was es heißt, nur zu sein . Sie weiß nicht mehr, wie es ist, sich sexuell hinzugeben, sich zu öffnen, zu empfangen. In ihr herrscht ein innerer Mann, der in jedem anderen Mann einen Konkurrenten sieht.
    Natürlich gibt es noch die Machos mit ihrer überkompensierten Männlichkeit, die nur darauf warten, sie zu erobern, sie zu nehmen. Aber – er will sie dominieren. Im Wettbewerb um den Erfolg ist er sozusagen der natürliche Feind der im Berufsleben erfolgreichen Frau. Im Privatleben sucht sie wiederum den Softie als Antwort auf ihre fordernde, mächtige Mann-Weiblichkeit. Dieser sanfte Mann ist bemüht, es ihr immer und überall recht zu machen. Er hütet die Kinder, saugt Staub und kauft ein – aber als Liebhaber versagt er, weil er nicht den Mut hat, sie zu überwältigen. Das momentan weitverbreitete Modell Softie/Karrierefrau ist sozusagen das pervertierte Gegenstück zur Konstellation Macho/Hausmütterchen und ist der Grund dafür, dass Erotik und Leidenschaft in Paarbeziehungen zu kurz kommen. Die wahre Lust wurde mit den Errungenschaften der Emanzipation besiegt. Der Lebensfluss, der aus dem Spiel der Polarität strömt, ist versiegt: Männer leiden an Erektionsstörungen, Frauen an Orgasmusschwierigkeiten, beide beklagen ihre Lustlosigkeit.
    Die traurige Bilanz zu Beginn des 21. Jahrhunderts: Männer sind keine Männer mehr, weil sie den Zugang zu ihrer phallischen Kraft, und Frauen sind keine Frauen mehr, weil sie die Fähigkeit zur Hingabe verloren haben. Wenn Mann und Frau zurückfinden wollen zu leidenschaftlichem Begehren und heißem Sex, müssen sie als ersten Schritt die archetypischen femininen und maskulinen Qualitäten in sich wiedererwecken. Dann kann der ewige Tanz des Lebens wieder beginnen.
    Wie das romantische Liebesideal den Sex besiegt
    Gewissermaßen der Gegenpol zur Emanzipation ist das Ideal der romantischen Liebe. Leidenschaft und Romantik, Sex und Freundschaft, familiärer Alltag und spiritueller Austausch: Dieses Ideal verspricht uns, dass dies alles in einer Beziehung möglich sei. Mit unseren besten Freunden und Freundinnen gehen wir nachsichtiger um als mit unserem eigenen Partner: Mit den einen gehen wir ins Kino, mit den anderen debattieren wir nächtelang, wieder andere sind die perfekten Trainingspartner beim Tennis. Immer aber wissen wir, wo ihre Grenzen liegen, und respektieren ihre Bedürfnisse. Nur in unserer Liebesbeziehung fordern wir alles auf einmal. Es fällt uns schwer zu akzeptieren, dass der Mensch, mit dem wir unser Leben teilen, einfach nicht jedes Bedürfnis abdecken kann. Die Enttäuschung darüber lässt nicht selten die sexuelle Anziehungskraft versiegen. Dieser Wunsch nach allumfassender Befriedigung der Bedürfnisse durch einen Partner hat mit der uralten Sehnsucht nach Verschmelzung zu tun. Wir wollen durch die Verbindung mit einem Seelenpartner ganz werden. Schon der griechische Philosoph Platon hat das sehr treffend in seinem »Symposion« (Das Gastmahl) beschrieben. In diesem Werk lässt er den Komödiendichter Aristophanes den Mythos der Kugelmenschen erzählen. Diese hatten einen Rumpf mit je vier Händen, Füßen und zwei Gesichtern. Es gab das Sonnengeschlecht (Mann-Mann), das Erdgeschlecht (Frau-Frau) und das Mondgeschlecht (Mann-Frau). Sie
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