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Vom Nehmen Und Genommenwerden

Titel: Vom Nehmen Und Genommenwerden
Autoren: Peter A. Schroeter , Doris Christinger
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der Mann von der Frau manipulieren und die Frau vom Mann dominieren lassen. Er wird zum »Softie« oder »Macho«, sie zu seiner besten Freundin oder zum Mutterersatz. Bewusst gelebte Sexualität bedeutet, dass der Mann sich von der Offenheit und dem Mut des femininen Herzens berühren lässt, während die Frau von seinen geistigen Fähigkeiten und seiner phallischen Präsenz fasziniert ist. In einer solchen sexuellen Begegnung fließt die Energie kraftvoll und ungehindert zwischen beiden Polen und öffnet den Raum für den ewigen Tanz des Lebens. Die Angst vor dem unbekannten Wesen des anderen verwandelt sich in Neugierde und Wertschätzung – der Kampf der Geschlechter hört auf. Keiner ist mehr wert als der andere, es gibt kein »oben« und »unten«. Mann und Frau begegnen sich auf Augenhöhe. Aber wie beim Tango genießt das Maskuline es zu führen, und das Feminine, sich führen zu lassen.
    Wie zwei Facetten desselben Diamanten erstrahlen das Maskuline und das Feminine auf dem Höhepunkt der körperlichen Vereinigung: reine göttliche Essenz im Körper eines Mannes und einer Frau. Im Augenblick der Ekstase verschmelzen wir mit dem anderen, werden eins mit ihm. Manchmal verlieren wir uns sogar im anderen, wenn wir uns unbewusst zu stark ausdehnen. Wenn wir uns jedoch bewusst vereinigen, erfahren wir das Einssein immer noch als Mann und Frau, als eigenständige Wesen.
    Eine solche bewusste Vereinigung kann nur gelingen, wenn die Frau Zugang zu ihrem vulvischen Femininen, der Mann zu seinem phallischen Maskulinen hat. In der allerhöchsten Form dieses ewigen Lebenstanzes spielt es dann keine Rolle mehr, welcher Pol sich im jeweils anderen verkörpert. Ekstatisch-feuriges Lieben ist möglich, wenn einer von beiden sich für die strahlende, hingebungsvolle, feminine Lebenskraft öffnet und der andere sich voller Liebe dem maskulinen Bewusstsein voller Klarheit und Präsenz überlässt. Das ist der Tanz des Lebens in einem vibrierenden Energiefeld.
    Wie die Emanzipation der Frau die Lust besiegt
    Die Emanzipation der Frau hat das Prinzip der Polarität außer Kraft gesetzt und dadurch die sexuelle Beziehung zwischen Frau und Mann grundlegend verändert. Niemand käme ernsthaft auf den Gedanken, die Uhren zurückzudrehen und die Gleichstellung der Geschlechter im sozialen und politischen Bereich und im Arbeitsleben wieder abzuschaffen. Doch mit der Emanzipation der Frau nahm die Tendenz zu, die Grenzen zwischen den Geschlechtern zu verwischen. Die Folgen für Sexualität, Lust und Leidenschaft sind verheerend und gehen mit einem grundlegenden Verlust der Geschlechteridentitäten einher.
    Nach 6000 Jahren Patriarchat leben wir heute in einer postemanzipatorischen Zeit, einer Zeit also, in der sich die notwendigerweise extremen Gegenbewegungen wieder einpendeln. Viele Männer haben gegenwärtig das Gefühl, durch die Emanzipation etwas verloren zu haben, und suchen nach neuen Lebensentwürfen und Männerbildern. Frauen hingegen genießen die neuen Errungenschaften und neigen eher dazu, sich eine Pause zu gönnen. Doch wir machen uns etwas vor, wenn wir glauben, dass die alten Rollenmuster der Vergangenheit angehören. Das Gegenteil ist der Fall: Sie sind wirksamer, als uns lieb sein kann. Rein äußerlich haben wir uns in die neuen Schablonen gut eingepasst, doch in unserem Inneren wirken immer noch die alten Rollenklischees. Wenn wir seelisch und geistig in Balance sind, fällt es uns leicht, nach den modernen Frauen- und Männerbildern zu leben. Doch wenn wir Stress haben, wenn es uns schlecht geht, erwachen die alten Rollenmuster in uns. Dann fühlen wir uns zwischen den überkommenen und den neuen Lebensentwürfen hin- und hergerissen.
    Ein Blick auf die Geschichte der Emanzipation macht deutlich, wie durch sie die Spannung zwischen Mann und Frau neutralisiert wurde. Die Frauenbewegung erfolgte in mehreren Wellen. Während der Aufklärung wurde für die Gleichheit aller Menschen vor dem Gesetz gekämpft, später für das Recht auf Erwerbsarbeit, Bildung und für das Frauenwahlrecht. In den 60er-Jahren des 20. Jahrhunderts ging es in der Hauptsache um die rechtliche Gleichstellung von Mann und Frau. Auch heute noch wird mit der gleichen Heftigkeit wie früher darüber debattiert, ob Männer und Frauen mit denselben Voraussetzungen geboren werden oder ob sie anders
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