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Vom Himmel in Die Traufe

Titel: Vom Himmel in Die Traufe
Autoren: Arto Paasilinna
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    »Später war der Großvater jedes Mal froh, dass er bloß noch einen Ski zu teeren brauchte. Das ist eine enorme Ersparnis für einen armen Schlucker.«
    Hermanni ergänzte, dass im Testament des Großvaters zwanzig Holzfüße und mindestens dreißig unbenutzte rechte Schuhe verzeichnet gewesen waren, inbegriffen Filzpantoffeln, Gummi- und Lederstiefel. Alle Exemplare neuwertig, aber einzeln für einen Zweibeiner wertlos.
    Diese Geschichten linderten Lena Lundmarks Qualen ungemein, sogar das Essen begann ihr wieder zu schmecken. Sie seufzte, dass sie gar nicht gewusst hatte, wie hart das Leben im Norden bisweilen für die Menschen sein konnte.
    »Wie es für die Menschen ist, weiß ich nicht, aber für uns fliegende Waldarbeiter ist es manchmal ziemlich hart.«
    »Sie sind demzufolge gar nicht wirklich Flieger, also Flugkapitän, Steward oder so etwas?«
    »Geflogen bin ich höchstens mal aus der Kneipe.«
    Unter solcherlei Geplauder verging der Tag. Um diese Zeit wurde auf Anordnung der Behörden die Suche im skandinavischen Luftraum, über dem Süden Schwedens, Norwegens und Finnlands, eingestellt: Der Heißluftballon, der einen Medienflug für das Rote Kreuz absolviert hatte, war nicht gefunden worden. Die Juristen der åländischen Lundmark-Reederei und des Speditionsunternehmens, das ebenfalls Lena Lundmark gehörte, versammelten sich, um zu besprechen, wie sie die Anteile der Hauptaktionärin an die Erben verteilen könnten, ohne dass sich der Staat in Form der Steuer ein zu großes Stück vom Kuchen abschnitt.

4
    Am Nachmittag wandte sich Hermanni mit seiner Fuhre gen Süden, denn am Nordufer der Insel Leviän Petäjäsaari standen gleich zwei Hütten, Loimu und Rauta. Die erste wollte er zur Nacht erreichen. Eigentlich war es auch egal, um welche Zeit er auf die Insel gelangte, denn der Sommer war so weit fortgeschritten, dass es gar keine Nacht gab, die Sonne ging nicht mehr unter.
    Überall auf den Inseln sangen die kleinen Vögel, die ganze Welt war gleichsam erfüllt von ihrem Gezwitscher, und das schmelzende Eis an den Ufern klirrte und klingelte dazu wie tausend Silberglöckchen. Das Eis wurde unter der sengenden Sonne matschig und dunkel. Aber draußen auf dem See würde es noch tragen, das zumindest nahm Hermanni an. An den Ufern musste er höllisch aufpassen, und manchmal dauerte es eine Weile, bis er die geeignete Stelle fand, um seinen Korbschlitten hinüberzuziehen. Einige Male musste er durchs Wasser waten und Lena Lundmark auf den Armen ans Ufer tragen, ehe er den Schlitten vom Eis auf festen Boden ziehen konnte.
    Auf der eintönigen Wegstrecke von Insel zu Insel erklärte er Lena Lundmark, was es mit der Bezeichnung fliegender Geselle auf sich hatte. Einst, als es in Lappland noch manuellen Holzeinschlag in großem Stil gab, verdingten sich Waldarbeiter zum Bäumefällen, und sie wurden fliegende Gesellen genannt. Der Berufsstand bekam hier oben im Norden eine gewisse Aura, und auch heute noch wurden diese Männer nicht mit den Strolchen oder üblen Gesellen aus den Städten in einem Atemzug genannt. Viele dieser Holzfäller besaßen keine Familie und auch sonst keine Angehörigen, hatten also kein Heim und auch keine Heimatgemeinde, waren nirgends gemeldet. Ihr ganzer Besitz passte in den Rucksack, und manchmal kam auch der noch abhanden. Die Männer zogen herum, wechselten von einem Holzplatz zum anderen, fuhren gelegentlich nach Kemijärvi oder Rovaniemi, um das verdiente Geld zu verjubeln, und kehrten immer wieder zurück, um die finsteren Wälder einzuschlagen. Es war auf gewisse Weise ein Leben voller fliegender Wechsel, daher der Name.
    »Hab selber auch an tausend verschiedenen Orten gewohnt und mehr als genug Fliegerei gehabt in meinem Leben.«
    »Heißt das, dass Sie auch heute noch kein eigenes Heim haben?«
    »Tja, eigentlich nicht.«
    Hermanni erzählte, dass er in einer kleinen Saunahütte am künstlichen See von Porttipahta wohnte, die er vom Kraftwerkskonzern gemietet hatte.
    »Hab dort mein Angelrevier, aber jetzt wollte ich mal hier im Inarisee mein Glück versuchen. Als fliegender Geselle hat man keine Familie, kann wegfahren, wann es einem passt.«
    Hermanni war schon mehrfach am Inari gewesen, kannte den See gut. Eigentlich kannte er in Lappland jeden Win­kel, hatte auch Helsinki und einmal sogar das Ausland be­sucht.
    Lena Lundmark betrachtete sinnend den Rücken des Mannes, der da vor ihr ging. Hermanni Heiskari stapfte in langen Schritten gleichmäßig dahin,
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