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Vom Himmel in Die Traufe

Titel: Vom Himmel in Die Traufe
Autoren: Arto Paasilinna
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der Erde aus. Dann holte er seinen Proviant hervor und machte zwei Brote zurecht, zum Hinunterspülen bot er Kaffee aus seiner Thermosflasche an.
    »Ich hatte Angst, dass Sie mich hier auf der Insel meinem Schicksal überlassen, weil Sie so lange wegblieben«, sagte die Frau. Sie begann sich zu beruhigen.
    Hermanni erzählte ihr, dass er einen großen Saibling aus dem Wasser ziehen musste, der im selben Moment an seiner Angel angebissen hatte, da Frau Lundmark mit ihrem Ballon vom Himmel und mitten auf den See gefallen war.
    »Ein prächtiger Fisch«, lobte sie.
    Hermanni überlegte, wohin er die Verunglückte bringen sollte. Hier konnte er mit ihr nicht lange bleiben, sie war immerhin so schwer verletzt, dass sie nicht laufen konnte, und wegen des Sturms konnte er außerdem kein Feuer machen.
    Lena Lundmark hatte ebenfalls über ihr Schicksal nachgedacht. Die Situation war ernst.
    »Ein Wunder, dass ich überlebt habe.«
    »Genau«, bestätigte Hermanni.
    Lena Lundmark erzählte in aller Kürze, dass sie morgens am Nordkap in Norwegen mit dem Ballon aufgestiegen war, zu einem Zeitpunkt, als es noch fast windstill gewesen war. Sie hatte beabsichtigt, sich nach Süden treiben zu lassen, nach Åland, wo sie zu Hause war, oder, falls der Wind launisch gewesen wäre, vielleicht nach Oslo oder Stockholm.
    »Ich bin von Beruf Abenteurerin. Und was treiben Sie?«
    »Bin bloß ein gewöhnlicher fliegender Geselle.«
    »Sieh an, also ebenfalls in der Luftfahrt, welch Zufall!«
    Nun besprachen sie, wie weit es bis zum nächsten Krankenhaus wäre. Hermanni schätzte, dass die Entfernung nach Ivalo etwa fünfzig Kilometer betrug. Luftlinie allerdings, denn auf dem Weg über das Eis und durchs Labyrinth der vielen Inseln kämen zwei Meilen hinzu. Lena Lundmark wurde ernst. Sie schwieg lange, schließlich machte sie einen Vorschlag:
    »Ich gebe Ihnen, was Sie wollen, wenn Sie mich ins Krankenhaus bringen. Ich bin eine reiche Frau.«
    »Hätte ich bloß einen Motorschlitten, dann wäre die Sache einfach. Ich hab aber keinen, bin nicht reich, bin’s nie gewesen.«
    »Ich zahle Ihnen bis zu einer Million Mark, wenn Sie mich retten«, versprach Lena Lundmark bereitwillig. Sie erklärte, dass sie Schiffe und ein großes Speditionsunternehmen besaß.
    Hermanni meinte, dass es hier nicht ums Geld gehe. Wenn er wenigstens einen Ackja, den Lappenschlitten, besäße, aber auch diesbezüglich musste er passen.
    »Könnten Sie nicht rasch einen Ackja oder einen Motorschlitten kaufen gehen?«
    »Hier gibt es keine Läden.«
    Hermanni erinnerte sich, dass es auf der Insel Kahkusaari, etwa drei Kilometer entfernt, eine Wanderhütte gab, die zumindest früher mit einem Telefon ausgestattet gewesen war. Dorthin würde er die verunglückte Abenteurerin tragen. Sie könnten übernachten und nach einem Flugzeug telefonieren, das die Patientin abholen und nach Ivalo bringen würde, wenn nur erst der Sturm nachgelassen hätte.
    Hermanni untersuchte die Konsole des Heißluftballons, fand sie aber leer. Kein Proviant, nichts zu trinken, keine Wanderausrüstung. Der Nerzanzug und die Nerzkappe sowie die Stiefel an ihren Füßen waren das ganze Rüstzeug der Frau. Im Korb befand sich nicht mal mehr eine Gasflasche, die die Energie lieferte, damit sich der Ballon in der Luft hielt. Lena Lundmark erzählte ihm, dass sie gezwungen gewesen war, die gesamte Ausrüstung über Bord zu werfen, als der Ballon im Sturm ständig an Höhe verloren hatte. Sie hatte Angst davor gehabt, bei dem Wetter notzulanden. Der Ballon hatte sich zuletzt nur in der Luft gehalten, weil sie durch den Abwurf sein Gewicht verringert hatte, aber schließlich war alles Überflüssige von Bord und die Landung nicht mehr zu verhindern gewesen. Zum Glück war diese auf dem Eis und nicht im Wald erfolgt, auch wenn der Ballon zuvor bereits die Baumwipfel gestreift hatte.
    Hermanni lobte sie für ihr mutiges Handeln, erkundigte sich aber zugleich, was eine Frau veranlasste, mit einem Ballon aufzusteigen, noch dazu ganz allein.
    »Das war eine Aktion zur Unterstützung des Roten Kreuzes. Ich hatte mir vorgenommen, einen Rekord zu fliegen. In den Interviews mit der Presse hätte ich von all den großartigen Projekten des Katastrophenfonds erzählt.«
    Lena Lundmark war der Meinung, dass man mit solchen spektakulären Aktionen die Aufmerksamkeit der heutigen Medien gewann. Schickte man den Journalisten Fotos hungernder Kinder oder blutender Soldaten, reagierten sie kaum, aber das Abenteuer mit
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