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Vom Himmel hoch

Vom Himmel hoch

Titel: Vom Himmel hoch
Autoren: Hannes Nygaard
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besondere Beziehung zwischen Banzer und Dürkopp verschwiegen.«
    »Das kann ich nachvollziehen«, entgegnete Große Jäger.
»Oder würdest du freiwillig erzählen, dass du deine liebe Not mit dem
verordneten Aufpasser der Zentrale hast, dich von ihm kritisch beäugt fühlst?«
    Christoph stieß einen Seufzer aus.
    »Jedenfalls scheint der Tote kein so unbeschriebenes
Blatt gewesen zu sein, wie es uns der Roth weismachen wollte. Ich bin einmal
gespannt, was wir sonst noch erfahren, welche Querelen es sonst noch in dieser großen
Familie gibt.«

DREI
    Wütend schlug der Mann auf das Lenkrad, dann riss er
theatralisch die Arme in die Luft. Seine Lippen bewegten sich heftig.
Unverkennbar stieß er Verwünschungen über den roten Golf aus, der bedächtig vor
ihm herfuhr. Doch das nahm Ulla Habelmeyer nicht wahr.
    Mit angewinkelten Armen saß sie dicht hinter dem
Lenkrad und ließ ihren Wagen über die Gaswerkstraße rollen. Das Auto war eine
Erinnerung an ihren Fiete. Es wird der letzte Wagen sein, den ich mir kaufe,
hatte er vor zwölf Jahren gesagt. Er hatte Recht behalten. Nur zwei Jahre
später hatte Ulla ihn zu Grabe getragen.
    Sie fuhr wenig. Gelegentlich besuchte sie ihre Nichte
in Schwabstedt, manchmal unternahm sie einen etwas längeren Ausflug bis nach
Lunden, und im Sommer wagte sie sich mit ihrer Freundin Ingeborg sogar bis nach
England. Freilich war damit nur die Siedlung auf Nordstrand gemeint. Sonst aber
beschränkte sich ihr Aktionsradius auf Husum, ihre Heimatstadt, in der sie nun
schon zweiundsiebzig Jahre lebte, selbst wenn es »hinter der Bahn« in Rödemis
war.
    Das Auto hatte in all den Jahren nie gestreikt, selbst
wenn es schon fast fünfzigtausend Kilometer auf dem Buckel hatte. Als sie
wieder nach vorn sah, bemerkte sie mit Schreck, dass sie fast die Abzweigung in
die Langenharmstraße verpasst hätte. Hastig trat sie auf die Bremse, was ihr
ein wütendes Hupen des Hintermannes einbrachte, begann heftig am Lenkrad zu
drehen und erinnerte sich nach halb gefahrener Kurve, dass sie auch noch den
Blinker setzen musste.
    Es war eine Gewohnheit von ihr, anstelle des direkten
Weges ins Westerende abzubiegen, um kurz darauf erneut die Fahrrichtung nach
links zu ändern. Im Schritttempo rumpelte sie über das Kopfsteinpflaster durch
die Rosenstraße, hatte dabei aber keinen Blick für die kleinen idyllischen
Fischerhäuschen mit ihren gepflegt restaurierten Fassaden und den Rosenstöcken
an der Hauswand, schon gar nicht registrierte sie die rot beleuchteten Fenster
des Etablissements, das Frauen wie sie nie besuchen würden. Sie konzentrierte
sich auf den Parkplatz hinterm Palmengarten.
    Obwohl die Freiflächen links und rechts zu dieser
frühen Stunde noch viele Einstellmöglichkeiten aufwiesen, steuerte sie das
überdachte Parkhaus an. Nach mehreren Anläufen, in denen sie ihr Fahrzeug vor
und zurück bewegte, war sie mit der Position des Autos zufrieden.
    Sie liebte diese Tageszeit. Da waren noch nicht viele
Menschen unterwegs, und sie hatte etwas mehr Platz im Parkhaus. Aus alter
Gewohnheit parkte sie selbst an einem so schönen Sommertag wie heute immer
unterm Dach.
    Sie zog sorgfältig die Handbremse an und öffnete die
Tür. Das Aussteigen bereitete ihr Mühe, was nicht nur an der Sitzposition lag,
sondern auch an der zunehmenden Unbeweglichkeit im Alter.
    Mit einem leichten Stöhnen auf den Lippen ging sie zum
Heck ihres Wagens, öffnete die Klappe und beugte sich in den Kofferraum hinein,
um den Einkaufskorb und das darin offen liegende Portemonnaie herauszuholen. In
diesem Augenblick erhielt sie von hinten einen kräftigen Stoß zwischen die
Schulterblätter. Sie fiel kopfüber in den Kofferraum, zerriss mit ihrem Gewicht
das Abdeckrollo für die Ablagefläche, knallte gleichzeitig mit den Beinen
schmerzhaft gegen die Stoßstange und fiel dann in sich zusammen, wobei sie mit
dem vorderen Teil ihres Körpers am Wagen entlangschrammte. Halb auf den Knien
hockend blieb sie vor ihrem Auto liegen.
    *
    Als Nächstes baten Christoph und Große Jäger einen älteren
Mann zur Vernehmung, der auf den ersten Blick wie ein Greis wirkte. Sein
Gesicht war über und über mit Falten durchzogen. Es war aber nicht die Art von
Runzeln, die sich häufig in Gesichtern von Menschen wiederfinden, die sich ihr
Leben lang der Witterung aussetzen. Es war ein graues Gesicht, aus denen zwei
müde Augen auf die beiden Polizisten blickten. Der Mann machte die Andeutung
einer Verbeugung.
    »Horst Seifert«, stellte er sich
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