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Vom Himmel hoch

Vom Himmel hoch

Titel: Vom Himmel hoch
Autoren: Hannes Nygaard
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vor. »Ich bin
vierundfünfzig Jahre alt und seit fast dreißig Jahren im Unternehmen. Ich
kümmere mich um dies und das. Hauptsächlich versuche ich Ordnung in der
Fakturierung zu halten.«
    »Sie sind für die Buchhaltung zuständig?«
    Der Mann verneinte. So könne man das nicht sagen. Das
Rechnungswesen würde er nicht betreuen. Er sei – wie bereits gesagt – für dies
und das verantwortlich.
    »Wenn Sie schon so lange im Unternehmen sind, gibt es
wohl nichts, was Ihnen nicht vertraut ist«, versuchte Christoph ihn aus der
Reserve zu locken.
    Damit schien er den richtigen Nerv getroffen zu haben.
    »Da haben Sie Recht«, begann es jetzt aus dem Mann zu
sprudeln. »Ich habe die rasante Aufwärtsentwicklung miterlebt, die der damalige
Inhaber mit seinem unbändigen Fleiß betrieben hat. Aber seinem Sohn war der
Porsche vor der Tür wichtiger als der Betrieb. So kam es, dass der ganze Laden langsam den Bach runterging. Und wenn wir nicht kurz vor der Pleite von Dürkopp
übernommen worden wären, gäbe es die Firma jetzt nicht mehr.«
    Die beiden Polizisten wechselten einen schnellen
Blick. Christoph nickte dem Mann zu, ermunterte ihn, seine Ausführungen
fortzusetzen.
    Er war immer mit sehr viel Begeisterung seiner Arbeit
nachgegangen, berichtete Horst Seifert. Das sei auch vom damaligen Inhaber
anerkannt worden. Dieser habe ihn schließlich zum Prokuristen ernannt. Der
Betrieb sei sein Lebensinhalt gewesen. Für ihn habe er sich aufgeopfert.
    Und dann kam der neue Eigentümer. Er könne sich noch
gut an die Betriebsversammlung erinnern, als sich Dürkopp vorstellte. Von
Fehlern, die in der Vergangenheit gemacht wurden, hatte der gesprochen. Davon,
dass in Zukunft alles anders werden müsse. Der Betrieb dürfe nicht nach
Altvätersitte gemanagt werden. Neue Strukturen wären erforderlich. Frischer
Wind gehöre in die Werkshallen und Büros, vor allem aber in die Köpfe der Mitarbeiter
geblasen.
    Niemand hatte ihm widersprochen. Wer wollte schon in
die Hand beißen, die einen künftig füttern sollte?
    »Ach ja, dann war da noch etwas. Opfer müssten
gebracht werden, so hat Dürkopp erklärt. Da hatte ich noch nicht geahnt, dass
ich das erste sein sollte. Ohne lange Vorrede erklärte mir Dürkopp, dass seiner
Meinung nach meine Arbeit mit schuld an der Misere wäre. Als der neue
kaufmännische Leiter, Herr Roth, seinen Dienst antrat, hatte der Teamwork
beschworen, Seifert zur Mitverantwortung aufgefordert. Bereitwillig hatte
Seifert den Branchenfremden mit den Abläufen im Betrieb vertraut gemacht. Und
als Roth verstanden hatte, an welchen Fäden er ziehen musste, hatte er Seifert
fallen lassen. Wie eine heiße Kartoffel.
    »Ja«, schloss der Mann seinen Bericht, »so bin ich
über Nacht meines Lebensinhaltes beraubt worden.« Mit Verbitterung in der
Stimme fügte er hinzu: »Und dann muss ich auch noch dankbar sein, dass ich hier
mein Gnadenbrot bekomme.«
    »Wie war Ihr Verhältnis zu Harald Banzer?«, fragte
Christoph.
    »Ein arroganter junger Schnösel. Der hat sich hier
aufgeführt wie ein römischer Feldherr. Der war ja noch gar nicht trocken hinter
den Ohren und wollte mir die Welt erklären. Ich habe es in meiner Jugend
gelehrt bekommen, dass man die ältere Generation zu achten und zu respektieren
hat, auf deren Erfahrungen hört. Als ich dem Herrn Banzer dies einmal erklärt
habe, hat er mich ausgelacht. ›Was wollen Sie, Seifert‹, hat er gesagt, ›Sie
sind ein Relikt aus vergangenen Tagen. Überholt, vergessen, verrostet. Vorbei.
Ihre Meinung will niemand mehr hören.‹ So habe ich mich still zurückgezogen.
Und nun mache ich eben dies und das.«
    Er atmete schwer in der kurzen Pause, die jetzt
entstand.
    Christoph betrachtete den Mann. Der hatte mit seinem
Leben abgeschlossen. Er war in die innere Emigration geflüchtet.
    »Wie war das Verhältnis zwischen den Herren Roth und
Banzer?«
    Der alte Mann blickte auf. »Da kann ich nicht viel zu
sagen. In der Öffentlichkeit, wenn die anderen Mitarbeiter zugegen waren, haben
die beiden nie einen offenen Konflikt miteinander ausgetragen. Nur gelegentlich
gab es, eher am Rande, ein paar Mal kritische Anmerkungen seitens Banzers über
den kaufmännischen Leiter. Er ließ dann durchklingen, dass er manches anders
machen würde. Aber offen hat sich Harald Banzer nie über unseren Chef
ausgelassen.«
    »Und wie war sein Verhältnis zu den anderen
Mitarbeitern?«, wollte Christoph wissen.
    Seifert dachte einen Moment nach, als wolle er nichts
Falsches von
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