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Vom Ego zum Selbst: Grundlinien eines spirituellen Menschenbildes

Vom Ego zum Selbst: Grundlinien eines spirituellen Menschenbildes

Titel: Vom Ego zum Selbst: Grundlinien eines spirituellen Menschenbildes
Autoren: Sylvester Walch
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liegt, deren Ertrag. Das Ich-Bewusstsein ist durch objektivierende Ansätze allein nicht zu verstehen. Es setzt die Innenperspektive als Erfahrung aus erster Hand voraus. Es ist kurzschlüssig, den erlebnismäßigen und reflexiven Zugang eines Menschen zu sich selbst reduktionistisch durch physikalische Vorgänge zu ersetzen. Nicht weniger als das Überleben der Menschheit steht auf dem Spiel, wenn Besinnung, Innehalten und Nachspüren vernachlässigt werden.
    Der Trend zur Verobjektivierung des Subjekts ist nun an seinem Ende angelangt und zeigt erste Erosionserscheinungen. In der Medizin wird das Gespräch wieder aufgewertet, und in der Wirtschaft beginnt man allmählich, in Anbetracht der endlichen Rohstoffressourcen, Synergie und Kooperation einem konkurrierenden Marktradikalismus vorzuziehen. Erst wenn wir lernen, angesichts der zunehmenden Klimaproblematik Konsumgüter nicht mehr als Statussymbol, sondern für die Befriedigung von Grundbedürfnissen zu sehen, werden auch transzendente Werte wieder an Einfluss gewinnen. Es gilt nicht, sich die Welt untertan zu machen, sondern sie als Geschenk der Schöpfung zu sehen. Dies ist ein Hauptanliegen der transpersonalen Psychologie, die in ihrem überkonfessionellen Wachstumskonzept alte Weisheitslehren des Ostens und moderne Bewusstseinsforschung mit Bedacht zusammenführt. Damit wurden fundamentale Seinsfragen wieder der Wissenschaft zugänglich gemacht, und der Dialog zwischen Psychotherapie und Spiritualität wurde in Gang gebracht.
    Unbestritten ist die naturwissenschaftliche Betrachtungsweise, auf deren Ergebnisse ich in bestimmten Fragestellungen auch zurückgreifen werde, ein wertvoller Zugang, die Welt und den Menschen besser kennenzulernen. Nur die einseitig materialistische Ausrichtung und der Versuch, dieser Form von Erkenntnisgewinnung in allen Belangen den Vorzug zu geben, sind in Frage zu stellen. Die Innenschau, im Sinne eines erfahrungswissenschaftlichen Zugangs, muss daneben einen gleichberechtigten Platz finden, ohne gleich eine idealistische Position, in der Materie als Epiphänomen des Bewusstseins betrachtet wird, zu unterstellen. Es geht dabei in erster Linie um eine Balance der Erkenntnisperspektiven, um Ausgewogenheit, nicht um eine neue Einseitigkeit.
    Am Beispiel des Körpers lassen sich diese beiden Perspektiven klar differenzieren. Von außen betrachtet, können wir unsere eigene Anatomie wahrnehmen und analysieren, und wenn wir uns nach innen wenden, werden wir Empfindungen und Befindlichkeiten erfahren. Für eine erfolgreiche Behandlung von Krankheiten sind beide Weisen des Sehens unabdingbar. Wer subjektive Erlebnisschilderungen, atmosphärische Anmutungen, innere Bilder oder spirituelle Erfahrungen als unwissenschaftlich diskreditiert, klammert wesentliche Aspekte der Psyche aus der Forschung aus. Gerade durch die Sensibilisierung für innere Erkenntnisprozesse werden Wachstum, Gesundheit und die Verwirklichung von kreativen Potenzialen erst möglich. Darin liegt auch der Schlüssel für eine Daseinsverantwortung, die nicht einem neuen Individualismus, in dem es nur um das Glück des Einzelnen geht, das Wort redet.
    Je mehr wir uns darauf einlassen, desto mehr sind wir auch in der Lage, Verantwortung für das Große und Ganze, für die Welt und den Kosmos, zu übernehmen.
    Was wäre aus dem Menschen geworden, wenn er sich nicht selbst erforscht hätte und so seiner tiefer liegenden Natur gewahr geworden wäre? Mit der Aufschrift »Erkenne dich selbst« am Eingang des Apollotempels in Delphi wird der Suchende von den Göttern aufgefordert, sich nach innen zu wenden, um herauszufinden, wer er wirklich ist. Mit dieser einfachen Unterweisung lassen sich die Traditionen spiritueller Richtungen und Selbsterforschungswege zusammenfassen. Selbsterkenntnis ist die Voraussetzung für menschliche Entwicklung. Erst wenn wir in die Stille gehen und nach innen schauen, können wir erahnen, worauf es im Leben ankommt. Werde dir bewusst, wer du bist! Erkenne, was im Leben wichtig ist! Versöhne dich mit deinem Schicksal! Sei wahrhaftig! Liebe deinen Nächsten wie dich selbst! Gehe nach innen!
    In Anbetracht der zunehmenden Beschleunigung der Lebenswelten sind die Botschaften der spirituellen Lehrer wichtiger denn je. Erst wenn man beginnt, sich selbst zu verstehen, wird man auch Antworten auf die Kernfragen des Daseins finden: Weshalb lebe ich? Oder: Woher komme ich und wohin gehe ich? Folgen wir dieser Spur konsequent, führt sie uns ins Innere,
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