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Vom Baum Der Erkenntniss

Titel: Vom Baum Der Erkenntniss
Autoren: Karl Gutzkow
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Menschen, die wir »Volk« nennen, eigentlich doch weit mehr geehrt sehen, wenn man sie wieder in Blutsverwandtschaft mit dem alten Vetter Publikum bringt. Der Trieb, sich zu bilden, ist so allgemein noch nicht. Die Volksliteratur sollte da erst anfangen, wo die brütende Nacht der allgemeinen geistigen Blindheit aufhört, da, wo ein Arbeiter, ein Handwerker, ein Ackersmann, Jäger, Schiffer – wer nennt die Millionen Wege, die uns durchs Leben führen müssen – die Augen aufschlägt und emporsehen will, um auch an den Sternen sein Hoffen zu befestigen, auch die treibendeMacht des Denkens für sich zu erproben. Für diesen Trieb zu schreiben, sollte dem Autor Freude machen.
    Und wie sollst du dann schreiben?
    Erinnere dich einer Abendeinkehr im »Goldnen Einhorn« oder im »Silbernen Mond« eines kleinen Städtchens auf der Reise. Da sitzen in der Wirthsstube Menschen meilenweit entfernt von der großen Heerstraße der Ereignisse. Sie lesen, was die große Welt schon vergessen hat, sie zanken sich über die einzige Zeitung, die sie halten können, sie discouriren über Krieg und Frieden, die Heuernte und die Kartoffelkrankheit, über den Kometen, über ein Eisenbahnunglück, vielleicht gar noch über das von Versailles. Ein gebrummtes Danke! begrüßt dich beim Eintritt für deinen »Guten Abend.« Nun denke dir, du wolltest dich in diesem Städtlein wählen lassen zu einer Ersten oder Zweiten unserer königlichen oder großherzoglichen Ständekammern, wie würdest du wol den Mund aufthun und deine Weisheit nicht unter dem Scheffel lassen – ? Glücklicher Autor, es handelt sich jetzt nicht um Wählen und Gewähltwerden, Steuernbewilligen und Steuernverweigern, es handelt sich nur darum, daß du reden und schreiben sollst, um in einem solchen Kreise überhaupt verstanden zu werden.
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    Ist es nicht eine traurige Thatsache, daß in keiner Kunst so viel Rivalität stattfindet wie in der Musik? Kann man nicht die beste Oper zu Grunde richten, wenn man schon bei den Proben nicht freundlich und entgegenkommend ihre Schwierigkeiten erklimmt, ihre Mängel und Sonderbarkeiten mit einem Lächeln vor den Orchestermitgliedern und den Sängern als eine »Concession an den Genius« behandeln und ausführen läßt und bei der Vorstellung Abends sich selbst schlaff und ungläubig zeigt? Es gibt ein gewisses: »Ich werde mit der unbefangensten Hingebung diesen Gegenstand befördern!« das den Gegenstand, statt zu befördern im Keime erstickt. Wenn sich in Deutschland so wenig Talent für einheimische Oper entwickelt, liegt es an Diesem und Jenem, am meisten an unsern Kapellmeistern.
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    Den »Don Quixote« des Cervantes liest man wol jetzt noch in seinen ersten Kapiteln mit steigendem Interesse, in der Mitte schon etwas langsamer, ganz bis zu Ende wol noch schwerlich. Es mag daher Vielen dasjenige neu sein, was man im »Don Quixote« schon über Literatur und Buchhandel zur Zeit des Cervanteszu lesen bekommen kann, während es klingt, als hätte es ein Autor unserer Tage geschrieben. Im 62. Kapitel besucht Don Quixote eine Buchdruckerei, nähert sich einem Setzerkasten und läßt sich in ein Gespräch mit anwesenden Schriftstellern, Uebersetzern und Buchhändlern ein. »Ich bitte Euch,« sagt er zu einem Schriftsteller, »wird das Buch da auf Eure Kosten gedruckt oder habt Ihr vielleicht das Verlagsrecht an einen Buchhändler verkauft?« – »Der Druck geschieht auf meine Rechnung,« erwiderte der Befragte, »und ich denke, an dieser ersten Auflage wenigstens 1000 Dukaten zu gewinnen. Sie wird 2000 Exemplare stark, welche, zu sechs Realen das Exemplar, im Nu vergriffen sein werden.« – »Euer Gnaden scheint mir die Rechnung ohne den Wirth gemacht zu haben,« entgegnete Don Quixote! »man sieht wohl, daß Ihr mit den Berechnungen der Buchhändler und mit ihrem Verkehr unter einander nicht sehr bekannt seid. Ich sage Euch zum Voraus, wenn sie sehen, daß Ihr 2000 Exemplare von einem Buch auf dem Halse habt, so werden sie Euch so drücken und die Exemplare so wohlfeil verlangen, daß Euch angst und bang wird, zumal wenn das Werk wenig Salz hat und nicht viel werth ist.« – »Wie,« versetzte der Autor, »Ihr wollt, daß ich es an einen Buchhändlerverhandle, der mir drei Pfennige für den Bogen gibt und erst noch glaubt mir damit eine große Gnade erzeigt zu haben? Nein! Ich lasse meine Bücher nicht drucken, um mir einen Namen zu machen; denn ich bin, Gott sei Dank, durch meine früheren Werke berühmt genug. Geld ist es,
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