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Vollendung - Thriller

Vollendung - Thriller

Titel: Vollendung - Thriller
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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von der Universität geworfen wurde? Jemand, der einen Hass auf Sie gehabt haben könnte?«
    »Nein, auf keinen Fall.«
    »Wurden Sie je von einem Studenten angemacht?«, fragte Agent Markham. Trotz der Richtung, in die seine Frage zielte, empfand Cathy seine plötzliche Teilnahme an der Unterhaltung als wohltuende Abwechslung zu der Staatsanwältin auf dem Rücksitz. »Jemand, der über das hinausgegangen ist, was man noch als harmloses Flirten bezeichnen könnte? Jemand, der vielleicht ein wenig aggressiver war?«
    Cathy war immer eine Spur schüchtern gewesen, aber nie eine Spur dumm. Und auch wenn sie vor ihrer Ehe nur mit einer Handvoll Männer ausgegangen war und in ihrer Zeit in Harvard nur eine halb ernsthafte Beziehung gehabt hatte, entgingen ihr die »Schwingungen« nicht, die sie von manchen ihrer männlichen Studenten empfing. In ihren zwölf Jahren an der Brown University hatten jedoch nur zwei von ihnen den Mut aufgebracht, sie auf eine Tasse Kaffee einzuladen – und beide Male hatte Steven Rogers’ treue Ehefrau höflich abgelehnt.
    Anderseits gab es diese Mitteilungen.
    »Ja«, begann Cathy. »Vor etwa fünfeinhalb Jahren. Zu Beginn des Herbstsemesters – kurz, nachdem meine Mutter gestorben war – erhielt ich anonyme Mitteilungen.«
    Cathy sah, wie Markham den Blick seiner Partnerin im Rückspiegel auffing.
    »Liebesbriefe?«, fragte Sullivan.
    »Nicht direkt. Erst waren es kleine Zitate, Einzeiler, die ich, nun ja, als Gesten der Ermutigung und Unterstützung in der Folge des Tods meiner Mutter auffasste. Später dann erhielt ich das Sonett.«
    »Ein Sonett?«, fragte Markham. »Sie meinen, ein Liebessonett? Wie die von Shakespeare?«
    »Nein, kein Shakespeare-Sonett, sondern eins, das Michelangelo geschrieben hat.«
    Markham schaute verwirrt drein.
    »Michelangelo war nicht nur Maler und Bildhauer, sondern auch ein vollendeter, wenngleich zweitklassiger Dichter. Er hat Hunderte Gedichte über Themen quer durch den Gemüsegarten geschrieben. Seine berühmtesten Gedichte sind jedoch die Sonette, die er einem jungen Mann geschrieben hat, in den er verliebt war – einem jungen Mann namens Tommaso Cavalieri. Das Sonett, das ich erhalten habe, wurde ursprünglich um 1535 für Cavalieri geschrieben, glaube ich, während der ersten Jahre ihrer Freundschaft, als Michelangelo etwa sechzig war und Cavalieri Anfang zwanzig.«
    »Wie viele Mitteilungen würden Sie sagen, haben Sie insgesamt bekommen?«, fragte Sullivan.
    »Vier – ein Sonett und die drei kurzen Zitate, die ebenfalls von Michelangelo stammen. Ich habe über eineinhalb Monate hinweg etwa eine pro Woche erhalten – sie wurden mir zu verschiedenen Zeiten jeweils in einem Kuvert unter der Tür durchgeschoben, wenn ich nicht zu Hause war. Dann kamen plötzlich keine mehr. Und ich habe auch später keine mehr erhalten.«
    »Sie sagten, die Mitteilungen waren anonym. Haben Sie je herausgefunden, wer sie verschickt hat?«
    »Nein.«
    »Irgendwelche Vermutungen?«
    »Die Handschrift war weiblich. Und da Michelangelos Sonette an Cavalieri homosexueller Natur waren, nahm ich an, dass es sich bei meiner Bewunderin um eine Frau handelte.«
    »Homosexueller Natur?«, fragte Markham.
    »Ja. Es gilt seit einiger Zeit als erwiesen, dass Michelangelo homosexuell war. Die Streitfrage in akademischen Kreisen dreht sich heutzutage lediglich noch darum, ob er ausschließlich homosexuell war.«
    »Ich verstehe«, sagte Markham. »Und wenn ich fragen darf – hatte der Inhalt des Sonetts, das Sie bekommen haben, mit unerwiderter Liebe zu tun?«
    »In gewisser Weise. Alles deutet darauf hin, dass Cavalieri Michelangelos Zuneigung sogar erwiderte, aber die Sachlage legt auch den Schluss nahe, dass die beiden die Beziehung nie vollzogen. Das Sonett handelt deshalb eher von einer unerreichbaren spirituellen Liebe als von fleischlichem Verlangen – von der Art Liebe, die zu Michelangelos Zeit weder ausgelebt noch auch nur beim Namen genannt werden durfte. Und obwohl die beiden die engsten Freunde blieben, verursachte die Beziehung zu Cavalieri Michelangelo bis zu seinem Tod große Qualen.«
    »Haben Sie diese Mitteilungen noch?«, fragte Markham.
    »Ich habe sie eine Weile aufgehoben«, sagte Cathy verlegen. »Aber als ich sie meinem Mann zeigte, bat er mich, sie wegzuwerfen. Das war dumm von mir, ich weiß. Ich hätte nicht auf ihn hören sollen.«
    Hättest du nur an dem Abend nicht auf ihn gehört, an dem er dir den Heiratsantrag machte …
    »Erinnern
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