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Vollendet - Der Aufstand (German Edition)

Vollendet - Der Aufstand (German Edition)

Titel: Vollendet - Der Aufstand (German Edition)
Autoren: Neal Shusterman
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widerrufen.« Er faltet die Umwandlungsverfügung zusammen und steckt sie wieder in die Tasche.
    »Gratuliere, Mr Starkey«, sagt Großmaul. »Du existierst nicht mehr.«
    »Warum reden Sie dann noch mit mir?«
    »Damit ist auch bald Schluss.« Sie zerren ihn zur Tür.
    »Kann ich mir wenigstens noch die Schuhe anziehen?«
    Sie lassen ihn los, behalten ihn aber im Auge.
    Starkey nimmt sich für das Binden der Schuhe reichlich Zeit. Dann gehen die JuPos mit ihm die Treppe hinunter. Unter ihren schweren Stiefeln knarren die Holzstufen. Sie machen einen Lärm wie eine Herde Rinder.
    Seine Eltern warten unten im Hausflur. Es ist drei Uhr morgens, doch sie sind noch angezogen. Sie waren die ganze Nacht auf und haben auf dieses Ereignis gewartet. Starkey sieht den Schmerz in ihren Augen – oder vielleicht ist es auch Erleichterung, schwer zu sagen. Er versteckt seine Gefühle hinter einem ironischen Lächeln.
    »Hi, Mom! Hi, Dad!«, ruft er fröhlich. »Was glaubt ihr wohl, was gerade mit mir passiert? Dreimal dürft ihr raten!«
    Sein Vater holt tief Luft und will zu seiner großen Umwandlungsrede ansetzen, die alle Eltern für ihr missratenes Kind in petto haben. Sie kennen die Worte auswendig, gehen sie immer wieder durch, in der Mittagspause, im Stau oder während ihr Chef über Einzelhandelspreise, Vertriebsmethoden und andere idiotische Themen schwafelt, die Büromenschen in Konferenzen eben so bereden.
    Was sagt noch mal die Statistik? Starkey hat es mal in den Nachrichten gesehen. Jedem zehnten Elternteil geht der Gedanke an Umwandlung einmal im Jahr durch den Kopf. Von diesen denkt jeder Zehnte ernsthaft darüber nach, und davon wiederum zieht es jeder Zwanzigste tatsächlich durch. Diese Zahlen verdoppeln sich mit jedem zusätzlichen Kind, das die Familie hat. Wenn man diese krassen Zahlen zusammenzählt, wenn man sie bis zum bitteren Ende durchrechnet, wird jeder zweitausendste Jugendliche im Alter zwischen dreizehn und siebzehn Jahren umgewandelt, Jahr für Jahr. Die Wahrscheinlichkeit ist höher als für einen Lottogewinn. Und da sind wahrscheinlich die Jugendlichen aus staatlichen Heimen noch gar nicht mitgerechnet.
    Starkeys Vater spricht aus sicherem Abstand die ersten Worte. »Mason, siehst du denn nicht ein, dass du uns keine andere Wahl lässt?«
    Die JuPos halten ihn am Ende der Treppe fest, machen aber keine Anstalten, mit ihm hinauszugehen. Sie wissen, dass sie den Eltern ihr Übergangsritual zugestehen müssen, den verbalen Fußtritt, mit dem sie ihr Kind aus dem Haus befördern.
    »Die Prügeleien, die Drogen, das gestohlene Auto – und jetzt bist du wieder aus der Schule geflogen. Was denn noch, Mason?«
    »Mensch, Alter, keine Ahnung, Dad. Es gibt so viel Mist, den ich bauen könnte.«
    »Jetzt nicht mehr. Du bist uns wichtig, deshalb setzen wir den schlechten Einflüssen ein Ende, ehe sie dir ein Ende setzen.«
    Nun muss er doch lachen.
    Da kommt von oben eine Stimme.
    »Nein! Das könnt ihr doch nicht machen!«
    Seine Schwester Jenna – die leibliche Tochter seiner Eltern – steht oben an der Treppe. Sie trägt ihren Teddybären-Schlafanzug, für den sie mit ihren dreizehn Jahren viel zu alt ist.
    »Geh wieder ins Bett, Jenna«, sagt ihre Mutter.
    »Ihr lasst ihn nur umwandeln, weil er gestorcht worden ist, das ist unfair! Und das auch noch direkt vor Weihnachten! Was wäre, wenn ich gestorcht worden wäre? Würdet ihr mich dann auch umwandeln lassen?«
    »Diese Diskussion werden wir jetzt nicht führen!«, brüllt ihr Vater, und ihre Mutter bricht in Tränen aus. »Geh sofort wieder ins Bett!«
    Aber das tut sie nicht. Sie verschränkt die Arme, setzt sich trotzig auf die oberste Treppenstufe und sieht sich alles an. Schön für sie.
    Die Tränen seiner Mutter sind echt, aber Starkey weiß nicht, ob sie um ihn weint oder um den Rest der Familie. »Was du alles getan hast – man hat uns immer wieder versichert, das seien Hilferufe gewesen«, sagt sie. »Aber warum hast du uns nicht helfen lassen?«
    Am liebsten würde er schreien. Wie soll er ihnen das erklären, wenn sie es nicht erkennen? Sie haben keine Ahnung, wie es ist, sechzehn Jahre in dem Bewusstsein zu leben, dass man nicht gewünscht war, ein Baby rätselhafter Herkunft und ungewisser Rasse, abgelegt an der Türschwelle von Eheleuten, die siena-blass sind wie Vampire. Sie wissen nicht, dass er sich an den Tag als Dreijähriger erinnert, als ihn seine Mom, nach der Kaiserschnittgeburt seiner Schwester noch vollgedröhnt von
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