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Voll Speed: Roman (German Edition)

Voll Speed: Roman (German Edition)

Titel: Voll Speed: Roman (German Edition)
Autoren: Moritz Matthies
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wüsste er nicht, wer unser Clanchef ist. Da ich mir die Antwort erspare, gibt er sich selbst die Antwort. »Überleg mal, Ray: Wenn wir Rocky auf die Jungfernfahrt mitnehmen, dann …«
    »… dann besteht Roxane darauf, ebenfalls mitzukommen«, führe ich seinen Gedanken zu Ende.
    Roxane, das Boxenluder in unserem Wurf, ist die Trophäe, die Rocky erhalten hat, als er im Sommer Pas Nachfolge als Clanchef angetreten hat. So läuft das bei Erdmännchen: Wer Clanchef wird, der kriegt seine Schwester als Clanchefin dazu. Und da Roxane das einzige Weibchen aus dem ersten Wurf ist, gab es für Rocky nichts zu entscheiden. Inzwischen ist sie trächtig. Behauptet sie zumindest. Problem dabei: Bereits nicht schwanger hält Roxane zum Beispiel eine »Passionsblume« für eine Stellung beim Sex. Und offenbar ist nicht nur sie, sondern ihre ordinäre Dämlichkeit gleich mit schwanger geworden. Jedenfalls paart sich Roxanes schrilles Unwissen neuerdings mit einer Bio-Hysterie, die selbst Rocky zur Verzweiflung treibt. Und das, wo er gar nicht weiß, was Verzweiflung eigentlich bedeutet. Eins ist also klar: Wenn es jemanden gibt, der uns den Spaß an der Jungfernfahrt verderben könnte, dann unsere Schwester.
    Rufus ist auf das Vorderdeck gekrabbelt und löst den Knoten von dem Eisenring. Sofort beginnt das Boot, von der Kante wegzudriften. Geilomat!, wie Rufus neuerdings sagt. Wie Schweben.
    »Wäre es nicht unverantwortlich von uns«, überlegt mein Bruder, »unsere schwangere Clanchefin auf einen Ausflug in die Kanalisation mitzunehmen, ohne zuvor das Boot auf seine Funktionstüchtigkeit getestet zu haben?«
    Während er seine Position im Fahrstand einnimmt, lasse ich meinen Blick an dem Knotenstrick hinaufwandern, der in dem schwarzen Loch der Decke verschwindet. »Absolut«, bestätige ich.
    Rufus dreht an dem Regler der kleinen blauen Box, die er unter dem Lenkrad installiert hat. Nur ein klitzekleines bisschen. Sofort bekommt das Boot eine Richtung und surrt sich leise gegen die Strömung durch den Tunnel. Vor Begeisterung haut sich mein Bruder mal wieder volle Suppe die Klaue aufs Ohr. Aber, ganz ehrlich, bei mir sieht’s auch nicht besser aus. Vor Aufregung kraule ich mir so hektisch die Eier, dass ich sie gleich in der Klaue halte, wenn ich nicht aufpasse.
    Geschmeidig schleichen wir bis zum Ende der Röhre, wo der Überlaufkanal auf den Mischwasserkanal trifft, das Wasser nicht mehr so seicht und die Strömung stärker ist. Rufus kurbelt am Lenkrad, das Boot neigt sich zur Seite, wir gleiten in den Strom und nehmen Fahrt auf.
    Rufus wirft mir einen triumphierenden Blick zu, und ich schwöre, ich weiß, was er mir gleich zuruft, bevor er selbst es weiß. Dann ist es so weit:
    »Gemäßigter V-Boden!«
    Lässig lehne ich mich nach hinten. Jetzt noch eine Orangina mit zwei Strohhalmen und Elsa an meiner Seite, und ich wäre ziemlich sicher das coolste Erdmännchen auf diesem Planeten. Rufus quatscht noch etwas von einem Eisenbahntrafo, den er zwischenschalten musste, und dass die Außenborder sonst durchschmoren würden, aber ich höre gar nicht hin, schließe nur die Augen und strecke meine Nase in den stinkenden Fahrtwind.
    Holla! Als wir auf den nächsten Kanal treffen und die Wasserstraße sich abermals verbreitert, dreht Rufus den Regler höher. Jetzt wird es sportlich, denke ich und springe auf. Das Heck drückt sich ins Wasser, die Nase kommt nach oben und mein Bruder rauscht in vollendeten Schlangenlinien die Röhre hinab. Aus dem Augenwinkel nehme ich ein paar Ratten wahr, die sich um die Reste eines vergammelten Cheeseburgers streiten und ungläubig aufblicken.
    »Jo, man!«, rufe ich ihnen zu und spreize überschwenglich zwei Krallen ab. »Peace!«
    Rufus, der spätestens beim Anblick der Ratten schlotternd in die Knie gehen müsste, reckt eine zur Faust geballte Klaue über die Windschutzscheibe: »Miami, wir kommen!«
    Zu den Ratten in der Kanalisation gibt es eine Geschichte. Eigentlich müssten wir uns vor denen nämlich total in Acht nehmen. Machen wir aber nicht, weil: Im Sommer, bei unserer Durchbruchaktion, sind ein paar von den Ratten, die unter dem Zoo leben, auf die geniale Idee verfallen, in unseren Bau einzudringen und Natalie zu entführen. Also, das haben die gedacht, dass das eine geniale Idee wäre. War es aber nicht. Ausgerechnet Natalie, in die mein Bruder seit Jahren ebenso geräuschlos wie unsterblich verliebt war.
    Rufus hat also in Windeseile den Elektroschocker aus der
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