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Vision - das Zeichen der Liebenden

Vision - das Zeichen der Liebenden

Titel: Vision - das Zeichen der Liebenden
Autoren: Arena , Javier Pelegrin
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hinweggesetzt. Das wird nicht funktionieren. Es kann so nicht funktionieren.«
    Langsam ließ Argo sich herabsinken, bis seine Fußspitzen wieder den Boden berührten. Dann klappte er die Flügel zusammen. Ein spöttisches Grinsen erhellte sein Gesicht. »Was kann nicht funktionieren?«, wiederholte er bissig. »Komm schon, Nieve, es hat doch längst funktioniert! Siehst du es denn nicht? In ein paar Minuten ist das Ritual beendet und die geraubten Symbole zerfressen seinen Körper, bis nichts mehr von ihm übrig ist. Dann ist der Thron wieder leer.«
    »Ja«, sagte Nieve. »Und es geht wieder von vorne los…«
    »Vor uns liegen gute Zeiten«, erklärte Argo ruhig. »Diese Schmarotzer werden Hunderte von Jahren brauchen, bis sie ihre Macht wieder aufgebaut haben, und bis dahin haben wir unsere Ruhe und können Kraft schöpfen. Wenn ihr euch zum selben Schritt entschließt wie ich, werdet ihr es klarer sehen. Alles wird wieder wie früher sein – nein, besser als früher!«
    Nieve schüttelte den Kopf. In ihrem Gesicht stand nackte Angst. »Nur eine Weile«, sagte sie. »Dann kommt ein neuer Krieg.«
    Wieder schwang Argo sich in die Luft, er starrte aus der Höhe auf sie herab. »Na und? Ein neuer Krieg, den wir auch gewinnen werden, so wie immer. Sogar noch leichter, wenn ihr endlich auch auf euer Menschsein verzichtet.«
    »Und was ist mit ihm?« Jana deutete mit dem Kinn auf Alex. »Tut es dir gar nicht leid um ihn?«
    Argo lachte. Es klang so aufrichtig und fröhlich, dass Jana ganz schlecht wurde. »Ob es mir leidtut? Nein, kein bisschen. Mitleid gibt es für mich nicht mehr. Es ist ein rein menschliches Gefühl… Schau mal, gleich ist es zu Ende!«
    Alle Augen richteten sich auf Alex. Er hatte sich mühsam erhoben, als könnte er nicht mehr länger sitzen bleiben. Nach wie vor regnete es Schatten auf ihn herab, leicht und dunkel wie Asche, aber er schien sie nicht zu bemerken.
    Jana wusste, dass sie am Ende angekommen waren. Gleich würde Alex vor ihren Augen sterben und mit ihm alle Magie der Medu.
    Vor ihrem inneren Auge zogen all die Momente vorbei, die sie mit Alex erlebt hatte. Es waren nicht viele, aber jeder schien in einem besonderen Licht zu leuchten, wie ein kleiner Schatz, den sie für immer in ihrem Gedächtnis bewahren würde. Plötzlich konnte sie der Versuchung nicht widerstehen, dieser kleinen Sammlung von Erinnerungen einen letzten, endgültigen Augenblick hinzuzufügen. War denn nicht sowieso schon alles egal? Das Leben hatte für sie keinen Sinn mehr.
    Sie wusste, wenn sie einen Wächter berührte, würde sie langsam verbrennen und schließlich verlöschen wie die Flamme einer Kerze, aber trotzdem ging sie entschlossen Schritt für Schritt auf den Schattenthron zu. Blau-weiße Flämmchen züngelten um Alex herum, der mit leeren Augen in das Feuer vor sich und auf die Schatten an den Felswänden starrte.
    Wie durch einen Nebel drang Nieves weiche Stimme zu ihr durch, die Argo noch immer zu überzeugen versuchte, aber sie erkannte keine Bedeutung mehr darin. Schon als sie ihn gesehen hatte, hatte sie gewusst, dass Argo niemand war, der mit sich reden ließ. Diese Flügel voller Silberaugen waren Beweis genug für seine unmenschliche Selbstherrlichkeit, die Erbarmungslosigkeit, den Fanatismus. Argo hatte sein Menschsein abgelegt, nur um die Medu zu vernichten, er würde sich ganz sicher nicht in letzter Sekunde den Sieg nehmen lassen, und das bedeutete, dass alles verloren war.
    In ihr sinnloses Gespräch vertieft, bemerkten weder Argo noch Nieve, wie Jana sich den Flammen, die den sterbenden Alex umgaben, näherte. Es war eine andere, wohlbekannte Stimme, die in letzter Sekunde versuchte, sie aufzuhalten.
    »Jana, nicht!« Erik stand im Eingang zur Höhle der Schatten. »Bitte! Tu’s nicht!«
    Jana lächelte ihn an. Sie versuchte, in dieses Lächeln alle Gefühle zu legen, die sie für Obers Sohn empfand und die sie ihm nie gezeigt hatte. Er schien zu verstehen, in seinen Augen glitzerten zwei Tränen. Ein Stück hinter ihm stand Corvino, wie versteinert beobachtete er die Szene, die Hand auf seine verletzte Schulter gepresst.
    Jana begriff, dass ihr nicht mehr viel Zeit blieb. Sie warf einen kurzen Blick auf den bläulichen Flammenkranz am Boden, dann ging sie ohne Zögern hindurch. Jetzt stand sie dicht vor Alex – oder dem, was von ihm noch übrig war. Ihr Blick glitt über seinen nackten Oberkörper voller Tattoos, die miteinander um jeden Millimeter seiner Haut zu ringen schienen. Er
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