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Virtuosity - Liebe um jeden Preis

Virtuosity - Liebe um jeden Preis

Titel: Virtuosity - Liebe um jeden Preis
Autoren: Jessica Martinez
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mir.
    Diana hatte mir den Hörer in die Hand gedrückt und mit den Achseln gezuckt, als wollte sie sagen: Na dann viel Glück . Ich hatte nicht gewusst, was ich sagen sollte. Seit meinem fünften Lebensjahr hatte ich meine Großmutter weder gesehen noch mit ihr gesprochen und Glückwunschkarten zum Geburtstag – Karten mit Berglandschaften, Blumensträußen oder anderen Motiven, für die sich kleine Mädchen nicht interessieren – waren ausgeblieben, seit ich neun Jahre alt geworden war. Wollte sie jetzt etwa so tun, als stünden wir uns nahe?
    Ich erkannte noch nicht einmal ihre Stimme. »Wir sind so stolz auf dich«, flötete sie.
    Ich verkniff mir zu sagen, was ich wirklich dachte, nämlich, dass sie kein Recht darauf hatten, stolz auf mich zu sein.
    Nach einer faszinierenden Unterhaltung über das Wetter kamsie schließlich zur Sache und ersparte uns weitere Peinlichkeiten. »Dein Großvater und ich ziehen eine Investition in Erwägung und ich möchte dich konsultieren.« Ihr steifer Ton wich einem, der mehr nach Selbstgefälligkeit klang.
    »Mich? Ich glaube nicht, dass ich die richtige Person bin, die man wegen einer Investition zurate zieht.«
    »Doch, Liebes. Du bist ganz bestimmt die richtige Person.« Sie hielt inne, anscheinend um einen dramatischen Effekt zu erzielen. Sie hätte es sich sparen können, denn ich hatte keine Ahnung, worauf sie hinauswollte. »Wir denken darüber nach, die Gibson Stradivarius zu erwerben. Hast du schon von ihr gehört? Sie wird nächsten Monat bei Christie’s versteigert.«
    Eine Stradivari. Die Gibson Stradivarius! Natürlich hatte ich schon davon gehört – sie gehörte zu den besten Geigen der ganzen Welt. Auf Auktionen erzielten die billigsten Strads mindestens eine halbe Million Dollar. Die Gibson würde sehr viel mehr kosten, wegen ihres legendären Tons. Sie war eine der am lieblichsten klingenden Geigen, die je gebaut worden waren. Mein vollkommen anständiges Instrument deutscher Herkunft, das zwölftausend Dollar gekostet hatte, war eine Blechbüchse im Vergleich.
    »Natürlich möchten wir, dass du sie spielen sollst.«
    Die Stille, die folgte, war von Erwartung geschwängert. Dorothy hatte wahrscheinlich damit gerechnet, dass ich laut nach Luft schnappen und ihr dann meine unendliche Dankbarkeit zum Ausdruck bringen würde. Stattdessen hörte sie, wie der Hörer auf das Parkett fiel, die Treppe hinunterpurzelte und ich hinterher­hechtete.
    »Um Himmels willen. Was war das?«, fragte sie, als ich den Hörer wieder in der Hand hatte.
    »Tut mir leid«, erwiderte ich außer Atem. »Ich habe das Telefon fallen lassen.«
    »Nun, dann wollen wir mal hoffen, dass du die neue Violine besser im Griff haben wirst.«
    Nachdem sie aufgelegt hatte, schrie ich laut auf. Ich lachte, weinte, sprang auf das Sofa in Dianas Arbeitszimmer und lachte und weinte gleichzeitig. »Sie hat gesagt, es ist eine Investition«, krähte ich, nachdem ich mich etwas beruhigt hatte. »Als würde sie ein Haus in Martha’s Vineyard kaufen oder Microsoft-Aktien oder so. Ich hätte sie am liebsten angeschrien: Weißt du überhaupt, was ihr da kauft? «
    »Carmen, du weißt überhaupt nicht, was sie kaufen.«
    »Was soll das heißen? Hast du mich nicht gehört? Sie kaufen die Gibson Strad!«
    »Falsch.« Diana rückte mit dem Stuhl vom Schreibtisch ab, nahm die Brille ab und warf sie auf einen Stapel Quittungen vor sich. »Sie kaufen dich.«
    Als ich dann zum ersten Mal auf ihr spielte, wusste ich es sofort: Die Gibson Stradivari war schon immer ein Teil von mir gewesen. Bis zu diesem Zeitpunkt war mir nicht klar gewesen, dass mir etwas gefehlt hatte, aber jetzt fühlte es sich so an, als hätte ich endlich mein Zuhause gefunden. Oder wäre endlich vollkommen. Mein Körper hieß ihr Gewicht willkommen und sie schmiegte sich perfekt an meinen Kiefer; meine Ohren erkannten ihre Stimme als meine Stimme. Sie war es immer gewesen.
    Das war vor einem Jahr gewesen. Selbst jetzt, als ich sie im Mondschein hielt, konnte ich immer noch nicht glauben, dass ich sie spielen durfte. Die Glenns hatten am Ende 1,2 Millionen für sie bezahlt. Oder, wie Diana meinte, 1,2 Millionen für mich . So sehr ihr die Situation auch gegen den Strich ging, hatte sie trotzdem nie vorgeschlagen, dass ich das Angebot ablehnen sollte. Wir zogen es nie in Erwägung. Es wäre einfach zu verrückt gewesen.
    Im Gegensatz zu Diana konnte ich die Glenns nicht hassen. Nicht mehr – aber das lag nicht nur an der Strad. Es war mir
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