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Violas bewegtes Leben

Titel: Violas bewegtes Leben
Autoren: Adriana Trigiani
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wird. Wenn ich mir weiter so viele Sorgen mache, werde ich meine Zähne zu flachen Stumpen abgewetzt haben wie meine Geigenlehrerin Mrs. Doughty. Sie hat so winzige Zähne, dass man meinen könnte, sie stammt von einer Wüstenspringmaus ab.
    Meine Mutter sagt, Mrs. D hätte ihre Zähne durch das viele Knirschen verloren und würde nun Prothesen tragen, was mir furchtbare Angst eingejagt hat. Was, wenn mir das auch passiert? Mrs. Doughtys Zahnprobleme brachten mich sogardazu, mir eine Beißschiene zu besorgen, aber ich glaube nicht, dass ich sie hier tragen werde. Ich möchte auf keinen Fall das Mädchen mit der doofen beigen Bettwäsche/dem schrecklichen Foto/der Beißschiene sein. Hilfe, stellt euch das mal vor.
    Ich springe zu den Aufnahmen von den Gebäuden der Prefect Academy vor. Im Licht der Nachmittagssonne, das ich auf dem Holz eingefangen habe, sind die Goldbuchstaben auf dem Schild deutlich zu erkennen. Ein schöner Effekt. Ich ziehe die Aufnahme in eine Totale und fülle den Bildschirm mit einem langsamen Schwenk über die Felder. In dieser Sequenz ist meine Hand viel ruhiger.
    Dann sehe ich etwas Merkwürdiges. Auf dem Bildschirm ist etwas, das ich gar nicht bemerkt habe, als ich das Feld hinter der Schule filmte.
    In der Ferne, jenseits des Feldes, am äußersten Rand des Schulgeländes, bewegt sich etwas Rotes. Ein Vogel? Ich lasse den Film langsamer laufen und schaue genauer hin. Nein, kein Vogel, das ist eine Frau. Seltsam. Ich erinnere mich nicht daran, eine Frau in der Aufnahme gesehen zu haben, und ich kann mich auch an nichts Rotes erinnern. Nun ist sie ganz in der Aufnahme zu sehen.
    Die Frau trägt ein rotes Charleston-Kleid und einen schwarzen Topfhut aus Samt. Ihre blonden Ringellocken sind schulterlang, ihre Lippen rot geschminkt, passend zu ihrem Kleid, und sie hat eine kleine Tasche unter den Arm geklemmt. Außerdem trägt sie schwarze Handschuhe mit winzigen Schleifen an den Handgelenken. Sie zündet sich eine Zigarette an und stößt eine Rauchwolke aus, während sie sich von der Kamera wegdreht. Sie schaut zum Himmel empor, wie ich, als ich die Wolken über Indiana filmte.
    »Was machst du da?« Romy beugt sich über meine Schulter und späht auf den Bildschirm.
    Ich zucke zusammen.
    »Entschuldige«, sagt sie. »Ich hab dich gestört. Du warst ganz vertieft.«
    »Macht nichts«, sage ich, aber ich sage es so, dass sie weiß, dass es mich sehr wohl stört. »Romy, bitte nimm’s mir nicht übel, aber ich brauche wirklich meine Ruhe, wenn ich am Schneiden bin.«
    Romy schleicht davon, offensichtlich gekränkt. Ich werde mich später wieder mit ihr versöhnen. Aber jetzt kann ich mir keine Gedanken um Romy machen, weil hier was total Abgefahrenes abgeht. Ich habe diese Aufnahmen heute Nachmittag gemacht, und da war noch keine Frau im Feld. Und hier, auf meinem Bildschirm, spaziert sie einfach so durch die Gegend. Wie konnte ich sie nur übersehen? Was geht hier vor?
    Ich verkleinere die Aufnahme und speichere sie. Ich bin zu müde, um dieses Rätsel jetzt zu lösen.
    Marisol schaut von ihrer Zeitschrift auf. »Alles klar bei dir?«, fragt sie mich.
    »Logisch«, lüge ich.
    Ich schalte den Computer aus. Dann schaue ich mich nach meinen Mitbewohnerinnen um. Einen Moment lang überlege ich, ihnen von meiner Beobachtung zu erzählen, aber sie würden mich nur für verrückt halten. Und eines weiß ich nach diesem Tag Eins an der PA ganz genau: Gib ja niemandem einen Grund, dich in eine bestimmte Schublade zu stecken, denn das, was am ersten Tag passiert, bleibt für immer an dir kleben. Fragt doch einfach mal Harlowe Jenkins aus dem Vierer Nr. 3, die mittlerweile nur noch als das Kotzmädchen bekannt ist,weil sie in die Büsche vor dem Picknickzelt gekotzt hat, nachdem sie zum ersten Mal in ihrem Leben Mangochutney zu ihrem Hotdog gegessen hat. Ich wette, sie wünschte, sie wäre bei Ketchup geblieben.

DREI
    Wenn ich zu Hause in Brooklyn eine Krise habe, rufe ich Andrew an. Entweder kommt er dann zu mir oder ich gehe zu ihm. Weil er jetzt Millionen Kilometer weit weg ist, schicke ich ihm eine SMS.
     
    Ich: Bist du da? SOS.
    AB: Was ist los?
    Ich: ICH HASSE ES HIER!!!!!!!!!!!!!!!!!!!
    AB: La Guardia ist ohne dich auch doof.
    Ich: Danke.
    AB: Ich hab Roemer in Mathe, Kleineck in Englisch und einen Neuen, Portmondo, in Film (wie ätzend).
    Ich: Ich krieg meinen Stundenplan samt Lehrerliste morgen.
    AB: Wie sind deine Mitbewohnerinnen?
    Ich: Schönheit, Sportskanone und Latina.
    AB: Puh!
    Ich:
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