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Vilm 01. Der Regenplanet (German Edition)

Vilm 01. Der Regenplanet (German Edition)

Titel: Vilm 01. Der Regenplanet (German Edition)
Autoren: Karsten Kruschel
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sprudelten aus ihm heraus. »Nicht einfach Substanzen. Früchte. Blätter. Äste. Wurzeln. Blüten. Triebe. Lauter Grünzeug, und alles von bestimmten Gestrolchen. Manche haben viele verschiedene Sensationen zu bieten, während andere in dieser Hinsicht richtiggehend blind sind. Von den Zeitbeeren habe ich erzählt. Dann gibt es die Kaktuspflaume, die jedem, der von ihr kostet, jegliche Aufmerksamkeit von außen nach innen krempelt. Die Umwelt versinkt in der Bedeutungslosigkeit, verschwindet, hört auf zu existieren; stattdessen erkennt man Dinge und Vorgänge, die im eigenen Körper vorgehen, als bekäme man sie mithilfe bunter Zeichnungen auf Wandtafeln haarklein erklärt.« Sdevan nickte zu Elizas Monitoren hinüber.
    »Aber das würde ja ...« Eliza stutzte. »Warum habt ihr diese famose Pflaume nicht zusammen mit anderen Rätselfrüchten gegessen? Dann wüsstet ihr, wie das alles funktioniert. Und ihr könntet erklären, was zwischen eurem zweibeinigem und eurem sechsbeinigem Bestandteil vorgeht.«
    Sdevan grinste breit. Beim Eingesicht sah das allerdings aus, als wolle es in den nächsten Sekunden über die Einarmige herfallen und ihr die Kehle zerfleischen. Er hatte seine Mimik wirklich nicht sonderlich gut unter Kontrolle. »Das hast du hübsch gesagt – Bestandteile. Leider ist der Effekt nicht dauerhaft, will sagen: Man weiß hinterher, dass man etwas gewusst hat. Man weiß freilich kaum noch, was genau dieses Wissen gewesen ist.«
    Eliza kam dieses Konzept absurd vor. »Man hat alles vergessen? Wie dumm. Und wie nutzlos.«
    Aufgeregt, wie er war, streunte Sdevan vor den Bildschirmen auf und ab. »Nicht ganz. Es bleiben Reste dieser Erkenntnisse hängen. Das Problem ist, dass es keine Zuordnung gibt. Der Zufall bestimmt, an was man sich erinnert – und es dauert lange, um aus diesem Zustand herauszukommen. Alle, die eine Kaktuspflaume gegessen haben, müssen darüber schlafen, um den Folgen der Frucht zu entkommen. Mindestens einmal, manchmal häufiger.«
    »Wer denkt sich eigentlich die Namen für die Rätselfrüchte aus?«
    »Manche sind spontan entstanden, einfach ihres Aussehens oder Geschmacks wegen. Andere sind bewusst gewählt, zum Beispiel, um Paare deutlich zu machen, die sonst keiner als solche erkennen kann. Es gibt ein Gegenmittel zur Kaktuspflaume, die Kaktuswurzel. Die sieht nicht im Geringsten wie ein Kaktus aus, und eine Wurzel ist es strenggenommen auch nicht, sondern ein Lufttrieb, den dieses spezielle Gestrolch nur selten ausbildet. Sie wirkt genau entgegengesetzt wie die Kaktuspflaume, deswegen der Name. Das andere Ding sieht übrigens so aus, wie es heißt: wie eine mit Stacheln besetzte überreife Pflaume.«
    Eliza griff mit den Fingern ihrer verbliebenen Hand in eine der herumstehenden Tastaturen. »Du hast doch nie im Leben eine echte Pflaume gesehen.«
    »Außer auf Bildern«, gab Sdevan zu.
    »Ja, auf Bildern«, knurrte Eliza und ließ knackige, überreife, süß aussehende Pflaumenbilder erscheinen. Zu realistisch, um überzeugend zu sein. »Wenn ich in meinem Garten ein paar irdische Bäume groß bekomme, dann kriegst du die erste auf Vilm geerntete Pflaume, das verspreche ich dir. Was mich mehr interessiert: Was genau bewirkt denn die Kaktuswurzel?«
    Sdevan warf einen misstrauischen Blick auf Elizas Hand über der Tastatur und musterte dann die leckeren Pflaumendarstellungen, als wolle er sie auswendig lernen. »Kaktuswurzeln stülpen alle Aufmerksamkeit von innen nach außen. Das ist nicht ungefährlich, weil man nicht spürt, was mit dem eigenen Körper geschieht. Man könnte jemandem unter Kaktuswurzeleinfluss ein Bein abhacken, er würde es nicht merken.«
    Eliza warf Sdevan einen gespielt ernsten Blick zu. »Ich hoffe, das habt ihr nicht durch ein entsprechendes Experiment überprüft.«
    »Doch, deswegen laufen Dutzende einbeiniger Kinder durchs Dritte Dorf«, gab er trocken zurück.
    »Furchtbar witzig. Welche weiteren wertvollen Erkenntnisse liefert der Genuss der Kaktuswurzel?«
    »Stark übersteigertes Empfinden der Umgebung, und zwar nicht als Hypersensitivität eines einzelnen Sinnes. Während die Kirabelle den Geruchssinn schärft, Blaurüben deine Ohren in Antennen verwandeln, Würzmispeln den Tastsinn bis jenseits der Schmerzgrenze steigern, macht die Kaktuswurzel etwas mit den Gehirnfunktionen, die aus den Informationen deiner verschiedenen Sinnesorgane ein Gesamtbild zusammenfügen. Plötzlich kannst du ein umfassendes und lückenloses Bild deiner Umwelt
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