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Vierter Stock Herbsthaus (German Edition)

Vierter Stock Herbsthaus (German Edition)

Titel: Vierter Stock Herbsthaus (German Edition)
Autoren: Oliver Susami
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steif gewordenen Stoff von der Wand und werfe das Tuch aus dem Fenster, es fällt mehr als dass es segelt. Jetzt komm schon, du Miststück! Was ich hier tue, das muss dich doch stören! Ich werfe dein Zeug aus dem Fenster, deine Haare, dein getrocknetes Blut! Werfe ich gar Stück für Stück dich aus dem Fenster?
    Als ich nach zehn Minuten – wie wunderbar die alten Bahnen doch abgehen! – mit den Tapeten fertig bin, als ich weitere Haarbüschel und Tücher mit Blut aus dem Fenster geworfen habe, als nur noch braune Fetzen an den Wänden hängen, da packe ich den erstaunlich leichten Schaukelstuhl, wuchte ihn auf das Fensterbrett und stoße ihn hinaus in die kalte Leere. Als er unten auf den Knochensteinen aufschlägt, da stehe ich schon wieder mit dem Gesicht zum Zimmer – wo bist du? Zeig dich endlich! – und sehe mich nach einer neuen Betätigung um. Dieses Zimmer ist voll von ihr, ihre Haare und ihr Blut … was noch? Wo versteckt sie sich noch? Die Fußleisten! Was ist mit den großen, braunen Fußleisten? Ich bücke mich neben die Heizung und versuche, mit den Fingern in den Spalt zwischen Wand und Leiste zu kommen. Ja, es klappt. Ein Ruck und … ah Scheiße! Mein Fingernagel! Egal Egal Egal! Ich breche die Leiste von der Wand, rostige Nägel quietschen, als ich sie aus dem Putz ziehe. Sofort sehe ich, was dahinter ist: Fingernägel, abgeschnittene Reste von Fingernägeln. Mit beiden Händen raffe ich die menschlichen Überreste zusammen, es ist fast eine Handvoll. Dann stehe ich auf, werfe die gelben Fingernägel und die mit spitzem Metall gespickte Leiste aus dem Fenster, knie mich wieder hin und mache weiter. Es geht erstaunlich leicht, die Fußleisten von den Wänden zu reißen, diese Wohnung ist faulig, weich wie ein verwesender, von Maden zerfressener Körper. Stück für Stück entferne ich das alte Holz und zum Vorschein kommen immer mehr Fingernägel – sie muss die über Jahrzehnte hinweg gesammelt haben! –, weitere mit Blut getränkte Tücher, zusammengeknülltes Haar und dann … das ist der Moment, in dem es mich schüttelt, in dem meine Hand zurückzuckt, sieben kleine, gelbliche Zähne. Sofort erkenne ich, dass es die Zähne eines Kindes sind, Milchzähne ohne richtige Wurzeln. In einer kleinen, ungleichmäßigen Reihe ruhten sie Jahrzehnte in dem Spalt zwischen Wand und Holz. Ich will sie nicht anfassen, ich will diese Dinger nicht-
    Komm schon, Lena! Wach auf! Weiter! Immer weiter! Raff die Zähne zusammen und wirf sie aus dem Fenster. Runter damit zu dem anderen Müll! Komm schon!
    Mit den Kinderzähnen in der Hand bin ich unterwegs zum offenen Fenster, als ich hinter mir eine Tür schlagen höre. In dieser verdammten Stille trifft mich das Geräusch wie ein Schlag in den Nacken. Mit bebenden Schultern drehe ich mich um. Da steht Paula.
     
    ***
     
    Sie muss überhaupt nichts sagen, ich weiß ganz genau, was Paula will. Ich soll damit aufhören, ihre Überbleibsel aus dem Fenster zu werfen. In meiner Faust spüre ich die spitzen Unterseiten der Milchzähne. Ich müsste nur den Arm ausstrecken und die Hand öffnen, das Fenster ist nahe genug.
    „Hör auf, Lena.“
    Paula spricht ganz ruhig, ein kalter, klarer Befehl. Ich müsste nur den Arm ausstrecken und …
    „Hör auf damit, Lena!“
    Nein, ich werde nicht aufhören. Ich muss nur den Arm ausstrecken und …
    „HÖR AUF!“
    Noch nie habe ich sie so laut schreien hören. Ich mache einen Schritt von ihr weg und strecke gleichzeitig den Arm aus dem Fenster. Paula stürmt auf mich zu, aber da habe ich schon meine kleine Faust geöffnet. Die meisten der Kinderzähne fallen sofort in die Tiefe, zwei bleiben mit ihren Kanten an meiner feuchten Haut hängen. Bevor Paula bei mir ist, fallen auch sie.
    Ich mache einen Schritt vom Fenster weg und nehme instinktiv die Arme vor den Körper. Aber Paula geht nicht gleich auf mich los, zuerst stürzt sie zum Fenster, streckt den Kopf heraus. Jetzt hat sie auch die rauchenden Reste der Kleider und des Affenkostüms gesehen. Paula schreit mich an.
    „ICH HAB DIR GESAGT, DASS DU VON HIER ABHAUEN SOLLST! ICH HAB DIR TAUSENDMAL GESAGT, DASS DU DICH VERPISSEN SOLLST, DU BLÖDES STÜCK SCHEISSE!
    Ich schiebe mich Richtung Wand. Vielleicht kann ich an der Wand entlang und dann irgendwie zur Tür raus. Ich bin mir sicher, dass sie gleich auf mich losgehen wird.
    „WIESO KOMMST DU IMMER WIEDER AN? WIESO KANNST DU ES NICHT GUT SEIN LASSEN?“
    Mein Gott, ich habe sie noch nie so brüllen gehört. Sie
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