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Viereinhalb Wochen

Viereinhalb Wochen

Titel: Viereinhalb Wochen
Autoren: Constanze Bohg
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über meinen Zustand. Schließlich war es doch genau das, was ich mir so innig gewünscht hatte: endlich schwanger sein!
    Erschwerend zum Verheimlichen des Ganzen kam hinzu, dass sich mein Bruder Sebastian in Berlin auf eine Diplomandenstelle bewarb und fürs Erste auf unserer Gästematratze in unserem kleinen Wohn- und Arbeitszimmer übernachtete. Das bedeutete für mich noch mehr Verstellen, noch mehr Rückzug ins Schlafzimmer! Als dann auch meine Schwester Sybille, die Ärztin ist, für ein paar Tage in Berlin zu einer Tagung war, musste ich mehrfach daran denken, meine Tarnung aufzugeben – doch ich bin wohl auch eine dickköpfige Frau, die durchzieht, was sie sich einmal vorgenommen hat. Also biss ich die Zähne zusammen und lächelte, was das Zeug hielt, sodass auch sie nichts mitbekam – sie war nur etwas verwundert über meine Launen.
    So verlebten wir drei Geschwister siedend heiße Frühlingstage im brodelnden Berlin, ich noch dazu mit stets brodelndem Magen und wachsender Oberweite, die Sebastian in seiner Unwissenheit einmal sogar scherzhaft mit »Schöne Aussicht!« kommentierte – na gut, Brüder dürfen das, aber im Nachhinein wundere ich mich doch, dass keiner Verdacht geschöpft hatte! Ich blieb hart, sogar als meine Freundin Susel aus der Oberlausitz anrief, um mir von ihrem Traum zu erzählen, in dem sie mich im achten Monat schwanger gesehen hatte. Im Supermarkt musste ich einmal ein halbes Glas Gurken aufessen, bevor ich überhaupt zur Kasse durchdrang, und meine Mahlzeiten bestanden fast nur mehr aus Wassermelonen und Erdbeeren, immer mehr Erdbeeren, was Tibor dazu brachte, unser Baby »Erdbeere« zu taufen. Manchmal musste er dreimal täglich zu Kaiser’s gehen, um Nachschub zu holen, weil ich solchen Heißhunger auf die süßen Früchte hatte. Wie oft lag ich einfach nur völlig erschöpft im Bett, meinen Laptop auf den Knien, und suchte quer durch das Internet nach einem Rezept gegen diese Übelkeit – doch ich fand nichts als meine eigene Erkenntnis:
Kind, du bist schwanger!
    Außer Tibor vertraute ich mich niemand anderem an als Gott und meinem Tagebuch:
    Er hat das Wunder der Top-Speed-Befruchtung geschenkt. Ich tue alles, was ich kann; alles andere ist die Sache des Schöpfers. Daran halte ich jeden Tag fest.
    Manchmal telefonierte ich mit unseren Freunden in den USA , besonders mit Diana, die dort zu so etwas wie meiner Wahlmutter geworden war: eine sehr nahe, liebe Freundin, die ich in der Kirche kennenlernte, die wir besuchten. Sie wurde mir zu einer Mentorin, an die ich mich seitdem immer wenden kann, heute noch, wenn ich nicht mehr weiterweiß. Wenn etwas zu brenzlig wird für mich.
    Zu Beginn meiner Schwangerschaft überkam es mich an einem dieser Tage, an dem die Hormone Achterbahn in mir fuhren, und ich dachte, dass ich in einer »Sackgasse« gelandet sei – ohne eigene Wohnung, ohne Job für Tibor, durch meine Hormonschübe in ständiger Gereiztheit, ohne Plan für das Ende der Übelkeit. Diana erkannte sofort, dass richtige Probleme anders aussehen – wie recht sie behalten sollte! »Alles kein Problem, alles gut« – so half sie mir so einfach wie liebevoll aus dem Eck, in das ich mich selbst hineinmanövriert hatte. Tatsächlich verschwand die Übelkeit nach drei Monaten von einem Tag auf den anderen genauso plötzlich, wie sie gekommen war.
    Am 11 . Mai wollten Tibor und ich unseren fünften Hochzeitstag feiern, gleichzeitig den zehnten Jahrestag unseres Kennenlernens. Wir wollten kein Fest, nicht groß feiern, sondern wir wollten einfach zu zweit sein, im Glück unserer nun vollends erfüllten Liebe. Tags zuvor ging jeder von uns getrennt vom anderen in die Papeterie-Abteilung eines Kaufhauses, um eine Glückwunschkarte zum Hochzeitstag auszusuchen. Wie groß war das Erstaunen, wie tief die Innigkeit, als wir einander am nächsten Tag die Karten überreichten und feststellten, dass jeder von uns aus den Dutzenden verschiedenen Motiven exakt dasselbe gewählt hatte – ein Bild von einem Pärchen, Händchen haltend, von hinten fotografiert.
    »Liebster Tibor, wir haben hart aneinander gearbeitet, und es hat sich so gelohnt. Mit dir wird es nie langweilig. Ich danke Gott für unsere Ehe.« Das hatte ich auf meine Karte geschrieben.
    »Meine geliebte Ehefrau – meine Liebe zu Dir ist kontinuierlich gewachsen, mit dir wird es nie langweilig, ich bin Gott so dankbar für unsere Ehe.« Das stand auf der Karte Tibors – so ähnliche Aussagen, ohne dass der eine
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