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Viereinhalb Wochen

Viereinhalb Wochen

Titel: Viereinhalb Wochen
Autoren: Constanze Bohg
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hatten genug Geld gespart, um uns entspannt und ohne Druck nach neuen Jobs umschauen zu können – und wir hatten ein ganz anderes Projekt im Kopf: Wir wollten eine Familie mit vielen Kindern gründen!
    Weil ich eine durch und durch rationale und, wie ich glaube, auch entschlossene Frau bin, ging ich das Projekt Familie konsequent an: Ich suchte mir in der Nähe der Wohngemeinschaft in Berlin-Prenzlauer Berg, in der wir provisorisch untergekommen waren, eine Gynäkologin, um mich untersuchen zu lassen. Die Ärztin fand nichts Nachteiliges, Riskantes oder gegen eine Schwangerschaft Sprechendes. Sie verschrieb mir Folsäure, eine Art synthetisches Vitamin B, das Neuralrohrdefekte des Embryos verhindern helfen sollte – immerhin trete der gefürchtete »offene Rücken«, die
Spina bifida,
bei rund jedem tausendsten Neugeborenen auf, meinte die fürsorgliche Ärztin. Als ich im Februar unter einer heftigen Nasennebenhöhlenentzündung litt und mir der Hals-Nasen-Ohren-Arzt ein Antibiotikum verschrieb, bestand ich bereits darauf, ein Präparat einzunehmen, das auch für Schwangere unbedenklich ist. Als im März meine Periode fünf Tage überfällig war, stand ich schon im Drogeriemarkt, um einen Test zu kaufen. Als ich zu Hause die beiden blauen Streifen auf dem Teststäbchen sah, konnte ich mein Glück nicht fassen. Ich zersprang fast vor Aufregung, versteckte den Test aber sofort, weil Tibor gleich zu einem wichtigen Bewerbungsgespräch gehen wollte – er war auf der Suche nach einem Job als Webdesigner. Besser, ich überrasche ihn abends, dachte ich, sonst kann er sich im Interview nicht konzentrieren. Doch schon wenige Minuten später wurde mir klar, dass ich das Schweigen nicht bis zum Abend aushalten würde.
    »Schatz, komm, setz dich mit dem Kaffee hier zu mir aufs Bett, ich muss dir etwas sagen.«
    Ich hielt ihm einfach den Teststreifen vors Gesicht. In Tibor arbeitete es sichtlich, bis er freudig aufschrie: »Du bist schwanger!«
    Meinem Mann gelang es gerade noch so, seinen Kaffee unverschüttet wegzustellen, bevor wir uns auf dem Bett wälzten, in den Armen lagen, heulten, tobten vor Glück. Am Abend dieses Tages erzählte er mir, dass er sein bisher bestes Bewerbungsgespräch hatte. Immer nur war ihm der Satz »Ich werde Papa!« durch den Kopf gegangen, »Ich werde Papa!«. Alles erschien ihm perfekt: »Die tolle Zeit in den USA . Nun das Leben im faszinierenden Berlin, jede Menge interessante Jobangebote, und zu allem Glück jetzt die Schwangerschaft!« Glück konnte sich unmöglich größer anfühlen als unseres in diesen Tagen.
    In der Woche darauf fuhren wir zu meinen Eltern in die Oberlausitz, zum sechzigsten Geburtstag meiner Mutter. Das war lange geplant, absagen war ausgeschlossen, doch für uns sollte das an und für sich freudige Ereignis zum Spießrutenlauf werden: Ich wollte mir nichts anmerken lassen von der Schwangerschaft, was nicht so einfach war, weil mir meine Mutter immer schon alles an der Nasenspitze ablesen konnte. Wie Mütter eben sind. Aber diesmal sollte ihr das nicht gelingen! Nicht die Schwangerschaft, nicht das Allerheiligste! Niemand sollte davon erfahren, nicht vor der zwölften Woche, da vorher doch jederzeit ein spontaner Abgang des Babys möglich wäre, wie ich gelesen und auch gehört hatte. So eine Enttäuschung wollten wir unter allen Umständen vermeiden.
    Also riss ich mich zusammen, so gut ich konnte. Gott sei Dank ist auf dem Reiterhof meiner Eltern immer so viel Trubel, Gott sei Dank waren über die Feiertage anlässlich des Jubiläums so viele Besucher da, dass es kaum auffiel, wie wenig ich essen konnte und was für ein Gesicht ich oft machte – denn von dem Tag an, an dem ich den Test gemacht hatte, war mir nur mehr übel gewesen, und mir wurde umso übler, je mehr ich mich bewegte oder unternahm. Zurück in Berlin, wollte ich wieder im Mauerpark joggen gehen, doch schon während des Weges dorthin musste ich umkehren, weil ich nur mit Mühe vermeiden konnte, mich in einen der Mülleimer zu übergeben. Zu Hause in der WG waren unsere chilenischen Mitbewohner wie jeden anderen Tag auch fleißig am Kochen und Kaffeetrinken – und wieder wurde mir speiübel, sobald ich nur in die Nähe der Küche kam. Meine Unterleibskrämpfe bekam ich meist liegend in den Griff, wozu ich glücklicherweise viel Gelegenheit hatte, da ich ohnehin dauernd müde war – doch ich wollte keine Tabletten gegen die Übelkeit einnehmen, wegen des Babys, und ich beschwerte mich auch nie
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