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Vier Arten, die Liebe zu vergessen

Vier Arten, die Liebe zu vergessen

Titel: Vier Arten, die Liebe zu vergessen
Autoren: Thommie Bayer
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ihre Autoschlüssel,
dann fuhr Michael mit Anna, so hieß die Tochter, in Megans Mini los. Anna hatte
den Fahrstil ihrer Mutter geerbt, oder sie kopierte ihn – sie fegte dahin, als
ginge es darum, irgendwelche Verfolger abzuschütteln.
    Â»Okay, wenn wir Musik hören?«, fragte sie, nachdem der Höflichkeit
Genüge getan und das Allernotwendigste an Informationen ausgetauscht war – ihr
Studium der Wirtschaftswissenschaften, seine Freundschaft mit Ian, das Bedauern
über Rahuls Selbstmord und die Zeit, die man vermutlich bis Ballybunion
brauchen würde.
    Michel nickte und war sich hinterher nicht sicher, ob er das bereuen
oder als Herausforderung nehmen sollte, denn sie hörte Green Day, White Stripes
und ähnlichen eher elitären, aber auch eher lärmigen Rock, der ihm nicht viel
sagte und vor allem den gelegentlichen Adrenalinschüben nichts entgegensetzte,
die von Annas Fahrstil ausgelöst wurden.
    Die ganze Strecke ging über Landstraßen, sodass jedes zweite oder
dritte Überholmanöver sich riskant anfühlte. Bis Waterford war Michael
verkrampft, bis Cahir immerhin noch angespannt, und erst ab dort hatte er
gelernt, den notwendigen Fatalismus aufzubringen. Von Tipperary bis Annacotty
genoss er die Anblicke, an denen sie vorbeirasten: rührend stolze neu gebaute
Häuser mit Löwenköpfen am Portal, kugelförmigen Buchsbaumpflanzen und Rasen
ringsum, an denen allerdings immer wieder Schilder mit »For sale« zu sehen
waren. Auf dem letzten Stück bis Ballybunion hatte er Vertrauen zu Anna
gefasst. Sie fuhr nicht nur so schnell wie ihre Mutter, sie fuhr auch ebenso
gut. In weniger als vier Stunden waren sie dort und hatten nur eine kurze
Kaffeepause eingelegt, irgendwo an einer Tankstelle hinter Tipperary.
    Das Cottage lag abseits des Orts, umgeben von Schafsweiden mit
niedrigen Feldsteinmauern und nah am Meer, vielleicht dreißig, vierzig Meter,
man hörte das Rauschen der Brandung.
    Anna kurvte gleich wieder los, nachdem sich Michael bei ihr bedankt
hatte, sie winkte noch aus dem offenen Fenster. So wie Erin nach Emmis
Beerdigung aus ihrem weißen Audi herausgewinkt hatte. Wie lang war das her?
Noch nicht mal eine Woche. Es fühlte sich an wie ein halbes Jahr.
    Michael ging einmal um das Cottage herum, er hatte keinen Schlüssel,
aber er wäre auch nicht hineingegangen. Er wusste, dass Ian dieses Haus nie
mehr betreten würde. Irgendjemand würde die Möbel holen, wenn es verkauft wäre,
aber vielleicht wollte Ian nicht mal die mehr sehen. Bestimmt gab es unter
ihnen auch einige aus Venedig.
    Der Porsche war dunkelgrau, die Tür schloss sich mit einem
schmatzenden Wummern, und der Motor erwachte mit einem zivilisierten Brüllen,
das Michael Respekt einflößte. Gleich der erste Tritt aufs Gaspedal hätte ihn
fast auf die niedrige Feldsteinmauer krachen lassen, wäre Michael nicht
reaktionsschnell sofort wieder auf der Bremse gewesen.
    Er fuhr vorsichtig und ganz bestimmt nicht angemessen für dieses
Auto zurück, machte zwei Pausen, einmal für Kaffee, einmal, um ein Sandwich zu
essen, und war erst sechs Stunden später nach Anbruch der Nacht wieder in
Rosslare. Verfahren hatte er sich nicht, weil ihn das Navigationsgerät souverän
bis vor Erins Villa lotste.
    ~
    Â»Das ist ein Auto für richtige Männer«, sagte er, als er
Ian den Schlüssel gab, »nicht für mich. Aber phantastisch ist es. Ein Tier.«
    Ian trug andere Kleider, eine Cordhose in dunklem und ein Poloshirt
in hellerem Oliv. Und er hielt eine Flasche Bier in der Hand. Er steckte den
Schlüssel ein, sagte nichts, aber er wirkte nicht mehr so verstört wie noch am
Tag zuvor. Er saß auch nicht mehr im Sessel, sondern stand an der Tür zur
Terrasse und schaute nach draußen aufs Meer.
    Michael ließ ihn in Ruhe und ging in die Küche, wo Megan im
Bademantel saß und Erin in einem Topf rührte, aus dem es appetitlich roch. Eine
Ratatouille.
    Â»Wie geht’s ihm?«, fragte Michael.
    Â»Er kommt zu sich. Will noch allein sein, ist aber froh, unsere
Stimmen zu hören«, sagte Erin.
    Â»Will er nach Hause?«
    Â»Ja«, sagte Megan, »wir sollen uns keine Sorgen machen.«
    Â»Hast du Hunger?«, fragte Erin, Michael nickte, Megan ging zum
Küchenschrank und nahm Teller, Besteck und Gläser heraus, stellte alles auf den
Tisch, richtete das Tablett für Ian, schnitt einige Scheiben Brot vom
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