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Vielen Dank für ihre e-mail

Vielen Dank für ihre e-mail

Titel: Vielen Dank für ihre e-mail
Autoren: Christoph Moss
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Postfach. Danach schickt er seinen Geschäftspartnern und Freunden noch eine letzte Nachricht, mit der Bitte, wichtige Informationen noch einmal zu übermitteln. Es ist die digitale Bankrotterklärung. Die letzte Junk-Mail für Mail-Junkies.
     
DIGITALES DAUERGEPLAPPER: LESEN SIE DENN MEINE NACHRICHTEN GAR NICHT?
    Es müsste ein Gesetz geben, das lange E-Mails verbietet. Da schicken einem detailverliebte Menschen eine Nachricht, die auf endlose Weise jede nur theoretisch erdenkliche Variante eines bestimmten Vorgangs schildert: Sitzungsprotokolle, technische Abläufe, Adresslisten, Kundenmemos – es mangelt nicht an Ideen für quälende Informationsanlässe.
    Diskussionswürdig daran ist nicht nur, dass solche Nachrichten uns die Zeit stehlen. Viel schwerer ins Gewicht fällt die Alibi-Attitude, die der Absender gern mit dieser Art der Kommunikation verbindet:
    „Ich hatte Ihnen doch die Information gegeben. Lesen Sie denn meine Nachrichten gar nicht?“
    Herausfordernd sind solche Mails, weil man sie a) bis zum Ende lesen muss und b) trotzdem nicht unbedingt weiß, was von dem Inhalt nun wichtig ist und was nicht.
    Es ist die pure Länge einer Nachricht, die uns Zeit raubt. Und es ist die Dramaturgie der Botschaft, die uns nervös macht. Oder besser gesagt, die Tatsache, dass es gar keine Dramaturgie gibt. Stellen Sie sich vor, Sie erhalten diese E-Mail von Herrn Straube aus der Abteilung Kundenbetreuung:
    „Liebe Kolleginnen und Kollegen ,
    heute Morgen fuhr ich mit meinem Auto, einem schwarzen Volvo V50, Baujahr 2010, Kennzeichen CC-BB 5000, auf den Parkplatz vor dem Hauptgebäude. Es war 8.23 Uhr, und ich freute mich richtig auf den Tag, weil ich eine Menge vor hatte, und weil ja auch bald die Urlaubszeit beginnt. An der Schranke (gut, dass sie wieder funktioniert) schob ich die Chip-Karte in den Automaten, der komische Geräusche machte, aber die Schranke öffnete sich dann doch. Ich machte das Radio ein bisschen leiser, weil mich das beim Einparken stört, hinterher baue ich noch einen Unfall, dachte ich mir. Da sah ich schon einen Kollegen aus der Stuttgarter Zentrale. Ich winkte und fragte, ob er gestern Abend auch noch in der Stadt war. Er sagte nein, aber das sagt er immer, auch, wenn es nicht stimmt. Letztes Mal war er nämlich noch beim Griechen, das hat mir die Frau Kraft erzählt. Jedenfalls fuhr ich so über den Parkplatz, als ich plötzlich ein Geräusch hörte. Ich drehte mich um und sah, wie zwei maskierte Gestalten das Auto von Herrn Huber aufbrachen. Da war ich aber geschockt, kann ich Euch sagen. So, das wäre es erst einmal. Bis nachher zur Pause. Ciao!“
    Fast 1.000 Zeichen lang erzählt uns Herr Straube völlig nebensächliche Details, um dann am Ende dem überraschten Leser mitzuteilen, dass zwei maskierte Gestalten das Auto eines Kollegen aufgebrochen haben. Eine konsequent chronologisch aufgebaute E-Mail, die nicht auf den Punkt kommt. Eine Nachricht, die zunächst nur Nebensächlichkeiten erwähnt, um am Ende den inhaltlichen Höhepunkt zu erreichen.
    Diese Art von E-Mails verstopft den Kommunikationskanal. Es ist Info-Müll, der täglich milliardenfach produziert wird. Dass dies überhaupt möglich ist, hat einen Grund. Das Schreiben von E-Mails ist selten ein Bestandteil beruflicher Ausbildung – außer vielleicht bei Journalisten und wenigen weiteren artverwandten Berufsgruppen.
    Die handwerklichen Fähigkeiten des Nachrichtenschreibens bleiben damit einem exklusiven Zirkel vorbehalten. In den meisten Unternehmen aber sitzen hochmotivierte Hobbypiloten, die mit Vollgas auf der digitalen Autobahn ohne Führerschein fahren. Ohne Sprachausbildung und ohne das Wissen um eine Informationshierarchie produzieren sie tagaus tagein massenhaft E-Mail-Nachrichten, die sie mit großer Leidenschaft verbreiten.
    Was ist wann und wo passiert? Ein E-Mail-Schreiber, der es schafft, diese und keine andere Information in die Betreffzeile oder in den ersten Satz zu schreiben, gehört schon zur digitalen Info-Elite. Nur am Anfang einer E-Mail sucht der Empfänger den inhaltlichen Kern der Nachricht. Dort und nur dort hätte unser Herr Straube eine Chance gehabt, die Aufmerksamkeit seiner Kollegen zu erreichen.
    Die meisten Fragen, die Herr Straube aber beantwortet, sind von nachrangiger Bedeutung: Welches Auto fährt er? Wie geht es seinem Kollegen? Was hat er vorher gemacht? Es hätte vollkommen ausgereicht, wenn er seine Nachricht kurz und bündig so formuliert hätte:
    „Liebe Kolleginnen und
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