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Vielen Dank für ihre e-mail

Vielen Dank für ihre e-mail

Titel: Vielen Dank für ihre e-mail
Autoren: Christoph Moss
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mit dem Flugzeug abgestürzt sein. Bei diesem tragischen Ereignis kamen auch die Ehefrau und die einzige Tochter ums Leben. Familie Morrison hinterlässt der Nachwelt ein Vermögen in Millionenhöhe. Geld, das offenbar brach auf einem Konto liegt und nun wieder in den globalen Währungskreislauf geführt werden soll. An dieser Stelle kommt der E-Mail-Empfänger ins Spiel. Dr. B. schreibt:
    „Die Wahl der Kontaktaufnahme mit Ihnen ist aus der geographischen Natur, wo Sie leben.“
    Während diese Aussage zumindest noch inhaltlich zu überzeugen vermag, erinnern die folgenden Sätze stark an grammatikalisch missratene Lügengeschichten aus schlechten Romanen:
    „Ich suche Ihre Zustimmung an Sie als die nächsten Angehörigen/Berechtigte an den Verstorbenen, so dass der Erlös aus diesem Konto bei 12,5 Millionen Dollar geschätzt gezahlt werden kann gegenwärtig zu Ihnen.“
    Mal ist es ein Konto, das wir in einer hochfrequentierten Steueroase eröffnen sollen. Mal sind es ein paar harmlose Privatdaten, die ein Rechtsanwalt in Abu Dhabi dringend benötigt. Aber vor allem ist es Diskretion, die wir wahren müssen, damit niemand das Geheimnis unseres künftigen Reichtums entdecken möge. Nepper, Schlepper, E-Mail-Betrüger sprühen vor Phantasie, um an die geheimen Kontodaten naiver Leser zu gelangen.
    Diese Art des Vorschussbetrugs ist ein äußerst lukratives Geschäft. So ergaunerte die sogenannte Nigeria-Connection im Jahr 2009 umgerechnet fast 6,7 Milliarden Euro. Dies ist das Ergebnis einer Untersuchung des niederländischen Instituts Ultrascan .
    Warum aber haben solche Lügengeschichten überhaupt eine Chance, im virtuellen Orbit gelesen zu werden? Hat die Art der Kommunikation einen Einfluss darauf, ob sich Menschen die Wahrheit sagen?
    Eine mögliche Antwort liefert der amerikanische Wissenschaftler Terri Kurtzberg von der Rutgers University in New Jersey. Gemeinsam mit seinem Forscherteam führte er ein Experiment mit 48 angehenden Ökonomen durch. Dabei sollten die Probanden einen festen Geldbetrag auf beliebige Weise zwischen sich und einem Mitspieler aufteilen.
    Die Spielregel war eindeutig. Nahm der Mitspieler das Angebot an, wurde das Geld aufgeteilt. Lehnte er ab, bekam niemand etwas. Die Probanden mussten ihrem Mitspieler allerdings auch sagen, wie viel Geld in dem gesamten Topf ist. Und an dieser Stelle durften sie lügen, damit ihr vermeintliches Angebot attraktiver aussah.
    Viele Probanden nutzten diese Möglichkeit und belogen ihre Mitspieler nach Strich und Faden. Die genaue Zahl der Lügner hing dabei vom Kommunikationsmedium ab, das die Teilnehmer wählten. Die altmodischen Absender von Papiernachrichten nutzten einen echten Briefkasten für die Übermittlung ihrer Nachrichten. Die modernen Teilnehmer schrieben E-Mails – und erwiesen sich als besonders verlogen: Neun von zehn E-Mail-Autoren sagten die Unwahrheit, während „nur“ zwei von drei Briefeschreibern ihr Gegenüber belogen. Auch die absolute Höhe des Angebots war bei den Verfassern herkömmlicher Nachrichten deutlich geringer als bei den E-Mail-Absendern.
    Die Forscher schließen aus diesem Experiment, dass in elektronischen Nachrichten mehr gelogen wird als in traditionellen, handgeschriebenen Briefen. E-Mail-Kommunikation sei weniger persönlich. Daher fühlten sich Menschen auch weniger an moralische Normen gebunden.
    Mit anderen Worten: Dr. B ist nicht Täter, sondern Opfer der Umstände. Das Internet – und niemand sonst – hat aus ihm einen schäbigen Lügner gemacht.
     
GANZ WICHTIG
    Der Mensch kommt nicht als E-Mail-Schreiber auf die Welt. Und dennoch verfügt auch ein Neugeborenes schon über ein Höchstmaß an Mitteilungskompetenz. Die ersten kommunikativen Regungen eines Erdbewohners bedienen normalerweise Stimme, Augen und Hände. Wenn ein Kind nach der Geburt kräftig schreit, werten die Eltern dies als beruhigendes Signal – trotz des Lärms, der damit gelegentlich verbunden sein kann.
    Ein schreiendes Baby hat eine klare Botschaft: „Ganz wichtig! Ich bin da! Bitte schnell kümmern!“ Diese Fähigkeit, relevante Informationen auf den Punkt zu bringen, geht vielen Menschen im Laufe ihrer intellektuellen Entwicklung verloren. Sie verheddern sich in Details und kommen vom berühmten Hölzchen aufs nichtssagende Stöckchen, wenn sie eine Botschaft übermitteln wollen.
    Dabei liegt es in der Natur der Lebewesen, vor der Übermittlung wichtiger Botschaften genau diese Wichtigkeit zu betonen. Von Eidechsen etwa weiß
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