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Viele Mütter heißen Anita

Viele Mütter heißen Anita

Titel: Viele Mütter heißen Anita
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Ansicht des Herrn Anklägers, der ich mich nicht anschließen kann.«
    »Sie bestreiten, Anita Torrico getötet zu haben?!«
    »In der Form, wie es der Ankläger darstellt – ja!«
    »Aber Sie geben eine Tötung zu?«
    Moratalla zögerte einen Augenblick mit der Antwort. »Was verstehen Sie unter Tötung?« fragte er dann. »Daß ein Mensch nach einer Operation stirbt, ist keine Tötung!«
    »Die Operation war aber nicht nötig …«
    »Das ist bisher Ihre Ansicht. Leider teile ich sie nicht …«
    Im Saal wurde ein leises Lachen laut. General Campo setzte sich mit hochrotem Gesicht zurück und blätterte nervös in den Akten. »Ich wünsche klare Antworten, Angeklagter! Keine Witze oder dialektische Duelle! Warum haben Sie überhaupt diese aussichtslose Operation gewagt, obwohl sie Ihnen verboten war?! Darum geht es hier!«
    Moratalla erhob sich und stützte sich auf die Barriere. Er sah nicht die verzweifelten und abdämpfenden Blicke Dr. Manilvas – er blickte zu Campo hinüber, und seine Stimme dröhnte durch den Saal, als stände er in seinem Operationsraum und gäbe seine knappen Anweisungen.
    »Sie sagen verboten! Man kann einem Arzt nichts verbieten! Ich bin kein Soldat, der einem Befehl gehorcht, sondern ein Arzt, der aus der Not der Stunde heraus handeln muß und der seine Arbeit vor seinem eigenen Gewissen verantworten muß. Man kann uns nicht sagen: Das oder jenes dürft ihr nicht, und wir sehen dann tatenlos mit an, wie ein Mensch zugrunde geht, den man hätte retten können, wenn man es gewagt hätte! Beim Militär mag es üblich sein, daß die Führung für die Masse denkt und diese Masse nur ein ausführendes Organ ist … wir Ärzte haben unsere eigene Verantwortung, und wir haben das Recht, kraft unseres Könnens und des Überblicks, den wir über die Krankheit haben, dort und so zu helfen, wie wir es für gut erachten! Man kann in der Not zögern, aber man darf ihr nie den Rücken wenden! Das menschliche Leben, das sich in unsere Hand begibt, ist mehr wert als alle Paragraphen.«
    »Aber Sie haben ein Leben zerstört!« rief Campo. »Sie haben das ärztliche Ethos, auf das Sie anspielen, überschritten! Übersteigert zur Selbstsucht!«
    Moratalla hob beide Hände. »Ich habe meine Pflicht getan – sonst nichts. Seit über fünfzehn Jahren beschäftige ich mich mit der Herzchirurgie. Ich habe an Tausenden Kaninchen und Ratten, an Hunderten Affen und Hunden meine Versuche unternommen, und ich habe als erster in Spanien den Blutkreislauf des Körpers außerhalb des Körpers verlegt und ein künstliches Herz bei meinen Operationen benutzt! Ich habe die ersten Transplantationen vorgenommen, ich habe in Spanien die O'Neillsche Mitralklappen-Spaltung eingeführt, und ich darf mir ein Urteil erlauben über das, was ich wagen kann oder nicht. Ich gestehe es – mein Eingriff war einmalig. Zum erstenmal ist es gelungen, innerhalb des Herzbeutels eine Transplantation vorzunehmen. Juan Torrico, der Junge, der unrettbar verloren schien, lebt weiter! Das ist der große Schritt vorwärts!«
    »Aber die Mutter ließ ihr Leben, weil Sie ihr das gesunde Herz verkleinerten!« Der Generalstaatsanwalt war aufgesprungen, seine Stimme war etwas schrill. »Und Sie wußten, daß sie sterben würde!«
    »Nein! Sonst hätte ich nicht operiert!«
    »Aber Sie haben doch ein Testament machen lassen!«
    Im Saal entstand eine große Aufregung. Die Erwähnung des Letzten Willens Anitas veränderte die Situation sehr zuungunsten Moratallas. Auf den Pressebänken reckte man die Hände.
    Moratalla sah zu dem Generalstaatsanwalt hinüber. Seine Stimme war kraftvoll.
    »Ja. Ich habe ein Testament machen lassen!«
    »Weil Sie wußten, wie gefährlich die Operation sein würde.«
    »Allerdings. Das habe ich nie bestritten! Ich habe Anita Torrico immer gesagt, daß es ein Eingriff auf Leben und Tod ist. ›Wenn mein Sohn dafür leben darf, will ich lieber sterben!‹ gab sie mir zur Antwort und drängte mich zu dem Wagnis. Es war auch wirklich der einzige Ausweg! Um auf alles gefaßt zu sein, bestand ich auf der Abfassung des Testamentes.«
    »Weil Sie unsicher waren!« sagte Campo laut.
    »Nein, weil ich Ordnung liebe!«
    »Reden Sie nicht solche Plattheiten!« General Campo hieb mit der Faust auf den Tisch. »Sie haben gewußt, daß es keine Chance für diese arme, alte Frau gab. Und deshalb wollten Sie sich den Rücken decken, indem sie sich notariell unterschreiben ließen, daß das Opfer dieser unschuldigen, ahnungslosen Mutter
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