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Viele Mütter heißen Anita

Viele Mütter heißen Anita

Titel: Viele Mütter heißen Anita
Autoren: Heinz G. Konsalik
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war gesenkt, er starrte auf seine Hand.
    »Ich weiß jetzt, warum die Zigeunerin Rosita vor meiner Hand flüchtete«, sagte er plötzlich leise. »Sie hat es gesehen, Concha, sie hat gesehen, daß meine Mutter für mich sterben wird.«
    »Du sollst nicht daran denken«, antwortete Concha sanft. »Was geht uns die Zigeunerin an? Du mußt gesund werden, Juan … Wir haben noch sechs Monate Zeit, dann werden wir zu dritt sein …«
    »In sechs Monaten.« Juan legte den Arm um Conchas schmale Schultern. »Es wird ein schönes Leben werden. Ich werde malen und in Marmor hauen, und meine Werke werden in allen Galerien stehen. Fredo Campillo hat es mir gesagt. Wir werden Geld haben, Conchita, viel Geld … und ich werde der Mutter ein große Grabdenkmal machen, einen ganzen Tempel aus weißem Marmor mit zarten blauen Adern wie das Grabmal Taj Mahal in Indien. Und wir werden glücklich sein, Concha … wir drei …«
    »Bestimmt, Juan, bestimmt …«
    Sie stützte ihn mit Kissen, die sie in seinen Rücken schob, denn er war noch schwach, und die Erregung verzehrte seine kleinen wiedergewonnenen Kräfte. Er streichelte ihre Hände und die nackten Arme, deren Haut wie Samt war, überzogen mit einem unsichtbaren Flor feinster, weicher Haare.
    »Soll es ein Junge werden?« fragte er leise.
    »Willst du es Juan?«
    »Oder ein Mädchen? Du hast lieber ein Mädchen, nicht wahr, Conchita?«
    Sie schüttelte die langen, schwarzen Locken. »Es ist mir gleich«, sagte sie innig. »Es ist doch dein Kind, und was es auch wird … wir werden es lieber haben als uns selbst.«
    Und sie küßten sich wieder, als gäbe es nichts um sie herum als diese Küsse, und sie vergaßen das große Leid und waren nur zwei Menschen, die plötzlich das Geheimnis erkannten, wie eng sie zueinander gehörten und wie schön das Leben ist …
    Ja, so war es, damals im Dezember, vor einem Monat. Moratalla blickte auf. Dr. Manilva trat in den kleinen Raum und war nervös, und seine Hände flatterten.
    »General Campo ist gekommen«, sagte er. »Man wird Sie gleich in den Saal führen. Fast dreihundert Zuschauer, und die Presse der ganzen Welt ist vertreten. Seien Sie stark, treten Sie als Sieger auf, Herr Professor! Ich plädiere – was auch kommt – auf Freispruch!«
    »Mit ehrlichem Herzen?« fragte Moratalla und lächelte.
    »Ja! Sie werden sich wundern, was man über Sie sagen wird. Experten aus allen Ländern sind geladen. Man sagt, daß General Franco seinen persönlichen Berater heimlich im Saal sitzen hat und sich alles sofort berichten läßt.« Es schellte im Nebenraum, in dem großen Saal. Dr. Manilva riß sich zusammen. »Es geht los! Wir sehen uns gleich.« Mit flatterndem Talar rannte er hinaus. Moratalla lächelte ihm nach. Diese Aufregung, dachte er. Bin ich denn wirklich so viel wert? Bin ich mehr als diese arme Anita?
    Die uniformierten Polizisten in der Ecke standen auf, drückten ihre Zigaretten aus und klemmten die Karabiner unter den Arm.
    »Kommen Sie, Herr Professor«, sagte der eine. Moratalla erhob sich und rückte seine Krawatte zurecht.
    Die kleine Tür an der Längswand öffnete sich. Der Kopf des Gerichtsdieners erschien einen Augenblick.
    »Angeklagter Moratalla!« brüllte er. Er schrie es wie immer, gewöhnt an die Massen der Verbrecher, die er anrief. Er kannte keine Unterschiede, ihn kümmerte nichts als der Ruf: »Angeklagter!«
    In dem großen Saal war es still, als Moratalla langsam, hoch aufgerichtet, die Holzbarriere betrat.
    Zwei Scheinwerfer erfaßten ihn, eine Kamera surrte leise. Er lächelte leicht, als er das Gericht sah, den kurzhaarigen Militärkopf Campos, den langen, schmalen des Generalstaatsanwaltes und im Hintergrund auf einem Stuhl, als Beobachter nur, die grauen Haare des Justizministers.
    Auf den Pressebänken drängten sich die Stenographen und Reporter der Illustrierten. Im Hintergrund, Bankreihe an Bankreihe, saß die schwarze Masse der Zuschauer. Die vorderen zwei Bänke waren frei … dort würden die Zeugen sitzen, die man einzeln hereinrief.
    Moratalla beugte sich über das Geländer und drückte Dr. Manilva die Hand. Der Anwalt war etwas blaß und sehr erregt. Er hatte von Prof. Dalias erfahren, daß der Prozeß einen Präzedenzfall darstellen sollte und die Regierung darauf drängte, zu einem Urteil zu kommen, um bei späteren Vorfällen die Möglichkeit zu geben, auf diesen Prozeß hinzuweisen.
    General Campo, der oberste Richter Madrids, ordnete seine Aktenstücke vor sich und warf einen kurzen
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