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Verzaubert

Verzaubert

Titel: Verzaubert
Autoren: Laura Resnick
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sagte ich zu den anderen. »Wenn wir doch nur durch diese Barriere hindurchkämen!«
    »Ich weiß ja nicht, ob es hilft, Sugar«, sagte Dolly. »Aber ich kann so laut schreien, dass einem Mann die Kronjuwelen zerspringen.«
    »Wenn wir es alle zusammen probieren, bringt ihn das vielleicht aus dem Takt«, schlug Clarisse vor.
    »Lasst es uns versuchen!«, sagte ich.
    Dolly hatte nicht gescherzt, was ihr durchdringendes Schreien anging. Ich fürchtete, mein Trommelfell würde jeden Moment platzen. Golly und Clarisse schlugen sich auch ganz wacker, aber die wirkliche Überraschung war Samson. Ich hatte nicht gewusst, dass ein Mann
so
hohe Töne singen kann. Und Alice gab Geräusche von sich, als würde sie jeden Moment über jemanden herfallen – hoffentlich über keinen von uns. Doch abgesehen von einem kurzen Zucken zeigte Hieronymus’ Schatten keine Anzeichen von Irritation. Der Zauberlehrling war so in seinen Sprechgesang und seine Beschwörung vertieft, dass er nicht einmal merkte, wie sich der Körper auf dem Altar erneut zu regen begann. Lysanders Kopf bewegte sich unruhig hin und her, als würde unser Geschrei zumindest
ihn
nerven.
    Und dann stiegen plötzlich Nebel, Dampf und spiralförmige Rauchschwaden auf, durchsetzt mit blitzenden Funken. Die Luft war erfüllt von krachenden Explosionen und fegte wie bei einem Wirbelsturm durch unsere Zelle.
    »O Gott!«, schrie Dolly.
    »Der Dämon kommt!«, rief Samson. Er begann zu husten, weil sich der erste Rauch seinen Weg durch den Gang zu uns gebahnt hatte und sich auch von der unsichtbaren Barriere nicht aufhalten ließ.
    Meine Augen brannten, und ich musste ebenfalls husten. Ich wedelte mit der Hand vor dem Gesicht herum und versuchte angestrengt, die Schatten an der Wand zu erkennen, aber das war zwecklos geworden. Die Luft war vor lauter Rauch und Nebel dick und undurchdringlich. Der Rauch war heiß, trocken und roch schwach nach Schwefel. Der Nebel war feucht und stank nach Morast.
    »Avorapek! Avorapek!«, rief Hieronymus. Anschließend setzte er seine Sprechgesänge fort, laut und triumphierend.
    Lysander gab einen markerschütternden Schrei von sich. Dann noch einen.
    Kam da Avorapek? Wenn ja, so war Hieronymus dadurch vielleicht abgelenkt. In der Hoffnung, dass seine Macht an anderen Stellen schwächer wurde, warf ich mich gegen die unsichtbare Barriere – und flog geradewegs durch den Torbogen hindurch. Ich landete irgendwo auf dem rauhen Steinboden und kroch um die Biegung in den anderen Raum. Ich hoffte, die anderen Geiseln würden ebenfalls versuchen durchzubrechen. Aber ich wagte nicht, ihnen etwas zuzurufen, aus Angst, Hieronymus zu alarmieren. Womöglich stabilisierte er seine Barriere dann wieder. Ich musste ihn außer Gefecht setzen. Also zog ich erneut meinen Schuh aus und kroch durch den Rauch in Richtung von Hieronymus’ Singsang und Lysanders Husten. Was bei einem bengalischen Tiger funktionierte, klappte hoffentlich auch bei einem verrückten Magier. Plötzlich tauchte der Umriss des Zauberlehrlings aus den Nebelschwaden vor mir auf. Er hatte mir den Rücken zugewandt. Ich pirschte mich an. Und dann schlug ich ihm so fest ich konnte meinen Schuh auf den Schädel.
    »Huch!« Er stolperte ein paar Schritte und wirbelte dann herum.
»Nein!«
    Ich ließ den Schuh fallen, schnappte mir einen der gusseisernen Kerzenständer, die er praktischerweise in greifbarer Nähe aufgestellt hatte, und holte damit aus wie mit einem Baseballschläger. Ich erwischte Hieronymus an der Schulter. Er schrie und taumelte rückwärts.
    »Die Barriere ist weg!«, rief ich den anderen zu. »Kommt und holt Lysander!« Anschließend verpasste ich Hieronymus einen Schwinger, der ihn gegen die Wand fliegen und dann langsam zu Boden rutschen ließ. Offenbar war er bewusstlos. Zur Sicherheit versetzte ich ihm einen weiteren Klaps mit meiner gusseisernen Waffe.
    Unterdessen vermischten sich die Schreie der anderen mit denen von Lysander. Ich drehte mich um und stolperte auf der Suche nach den anderen in Richtung der Geräusche. »Lysander! Lysander! Wo sind Sie?« Irgendwo knurrte Alice, und ich zuckte zusammen, weil sie ganz in meiner Nähe sein musste – bis ich dann sah …
    »Das war gerade gar nicht Alice, stimmt’s?« Doch ich bekam keine Antwort, denn die anderen waren zu sehr mit Schreien beschäftigt.
    Der dichte Nebelschleier lichtete sich, während ich mich weiter dem Altar näherte. Ich erkannte Samson und Dolly, die versuchten, die Fesseln an Lysanders
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