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Verwechseljahre: Roman (German Edition)

Verwechseljahre: Roman (German Edition)

Titel: Verwechseljahre: Roman (German Edition)
Autoren: Hera Lind
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war ich nur die ganze Zeit?« Er raufte sich die Haare. »Weißt du, ich wollte ihm immer wieder was Gutes tun, ihm entgegenkommen, ihm die Hand reichen …«
    »Du gibst einem Drogenabhängigen Drogen und behauptest, du wolltest ihm die Hand reichen.« Ich schüttelte den Kopf. »Toll. Wirklich toll, Viktor!«
    Wir starrten uns an. Plötzlich sah ich, dass Viktor rot geworden war. Er. Der starke, unerschütterliche Reeder. Der Hunderte von Angestellten hatte. Wurde rot. (Unter MEINEM Weihnachtsbaum. Das war das Beste daran.)
    »Carin hat recht!«, sagte Roman plötzlich. »Mutter und du, ihr habt es immer gut gemeint. Ihr habt mir die Kohle vorn und hinten reingeschoben, sobald ich nur einen Mucks gemacht habe. Letztlich habe ich nie kämpfen müssen.« Er sah mich von der Seite an, und seine Lippen zitterten. »Nicht so wie Carin.«
    »Bingo!«, sagte ich. »Ich glaube, jetzt hat er’s! Silke lässt ihre Kinder zu Fuß zur Schule gehen, bei Wind und Wetter. Und mit der S-Bahn fahren. Sie essen Butterbrot statt Kaviar und spielen mit Bauklötzen statt mit Einarmigen Banditen. Sie lesen Bilderbücher statt am Computer zu spielen. Silke setzt ihnen Grenzen.« Ich schenkte Silke einen anerkennenden Blick. »Aus diesen Kindern werden mal ganz großartige Menschen.«
    »Das sind sie jetzt schon«, murmelte Beate.
    »Das sind sie jetzt schon«, pflichtete ich ihr bei. »Weil sie konsequent erzogen werden. Und nicht VER zogen.«
    Viktor sah mich nachdenklich an. Eine Mischung aus Bewunderung und Verständnis lag in seinem Blick. »Wenn du mir so harte Vorwürfe machst, hat sich mein Weihnachtsgeschenk wahrscheinlich erübrigt …«
    Er griff in die Innentasche seines Jacketts, und ich sah, dass seine Hände zitterten. Oh, dachte ich. Schade. Jetzt ist er sauer auf mich. Wahrscheinlich hat es noch nie jemand gewagt, dem großen Reeder Viktor Stiller mal die Meinung zu sagen. Aber er war nicht sauer. Nicht im Mindesten! Er überreichte mir einen Umschlag, nein, es waren zwei, und am Flackern in Romans Augen merkte ich, dass es sich um etwas ganz Tolles handeln musste.
    »Du hast die Wahl zwischen Transatlantik oder Transsuez«, sagte Viktor und blinzelte verdächtig.
    »Wie meinen? Trans-was?«
    »Karibik oder Orient?«
    »Ähm … Wie jetzt?« Mein Herz fing auf einmal an, Tango zu tanzen. Das war doch nicht …Das war jetzt aber nicht das, wovon ich heimlich träumte?
    »Ich muss auf beiden Schiffen nach dem Rechten sehen. Aber was die Silvesterreise betrifft, darfst du entscheiden.«
    »Silvesterreise? Jetzt? Ich meine – noch dieses Jahr?«
    »Du bist doch auch sonst sehr entschlussfreudig.« Viktor genoss meine sichtliche Verunsicherung. Jetzt war er wieder ganz Herr der Lage.
    »Ich?« Ich zeigte ratlos auf mich. »Ich soll mich für eine – Luxusreise entscheiden?«
    Plötzlich erinnerte ich mich an die Herzblatt -Sendung, die ich mal im Fernsehen gesehen hatte. Zwei Kandidaten, die sich gefunden hatten, durften eine Reise ziehen. Und es war die Frau, die entscheiden sollte. Klar. An uns Frauen blieb eben das Wichtigste im Leben hängen.
    »Ich nehme Umschlag zwei«, sagte ich mit zusammengekniffenen Augen.
    Es war der Orient.

37
    Ein Jahr später.
    V iktor und ich sind häufig auf seinen Schiffen unterwegs während die Perle mit dem Strickensemble die Hamburger Villa hütet. Ja, ich habe ein gutes Wort für sie eingelegt und Viktor daran gehindert, sie zu entlassen. Schließlich hat sie mich für eine direkte Konkurrentin gehalten – und die war ich schließlich nie! Und so schippern wir langsam um die Welt. Am liebsten bin ich natürlich auf der MS Präludium und Fuge , auf der unser Sohn Roman arbeitet. Es ist das größte und prächtigste Schiff, sozusagen der Johann Sebastian Bach der Flotte. »Präludium und Fuge« haben wir das Schiff deshalb genannt, weil Roman irgendwie das Präludium war und jetzt eine so tolle Fuge daraus geworden ist. Wir sind wirklich stolz auf unseren Sohn. Er ist mit Leib und Seele Croupier. Er macht das wirklich toll. Seine dunklen Augen strahlen, wenn er die roten Plastikchips verteilt, und erst recht, wenn er sie mit diesem kleinen Rechen wieder einsammelt! Das ist für ihn Glück pur. Dieser Kick, sagt er, der sei besser als jeder Orgasmus. (Also, bei aller Liebe: Ich sehe das anders. Aber das bleibt unter uns, okay? Schon mit meiner Mutter war ich geteilter Meinung darüber.)
    Und er fiebert so richtig mit seinen »Kunden« mit! Oder nennt man sie »Klienten«? Er nennt sie
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