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Verwechseljahre: Roman (German Edition)

Verwechseljahre: Roman (German Edition)

Titel: Verwechseljahre: Roman (German Edition)
Autoren: Hera Lind
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Hocke, und mir schliefen schon die Beine ein. Für solch filmreife Szenen war ich einfach nicht geeignet. Die schwarz gekleideten Polizisten starrten ebenso auf uns herab wie die schaulustigen Passanten. Im Hintergrund hörte ich die Funkgeräte krächzen: »Hat sich erledigt. Ja, die Mutter ist hier, wir haben alles im Griff … Nee, wir brauchen dann nur einen Peterwagen …«
    »Sie dürfen meinen Sohn jetzt ruhig losmachen«, regte ich an, während ich mich mit steifen Knien erhob. »Das ist ja keine besonders gemütliche Haltung hier!«
    »Ja, also, wenn Sie sich für den Mann verbürgen …«
    »Ja, tu ich. Er ist mein Sohn.«
    Man half Roman auf die Beine und schloss ihm die Handschellen auf. In diesem Moment tat er etwas ganz Unbegreifliches: Er breitete die Arme aus und fiel mir um den Hals.
    »Danke, Carin, danke! Du hast mir das Leben gerettet!« Er schluchzte, und ich spürte seine warmen Tränen an meinem Hals.
    »Passt schon«, sagte ich und tätschelte verlegen seinen Rücken.
    »Die wollten mich totschlagen!«
    »Ja. Ich weiß.«
    Ich warf einen Blick auf die beiden, die immer noch am Boden lagen. Im Schein des nach wie vor zuckenden Blaulichts betrachtete ich die Gangster. Ich kam mir wirklich vor wie in einem Krimi. Der eine war bullig mit Glatze, der andere trug trotz des Wetters doch tatsächlich eine Sonnenbrille. Irgendwie kamen mir die beiden bekannt vor. Ich wusste nur nicht, woher. Vielleicht hatte ich auch einfach zu viele Krimis gesehen. Die Bösen sehen ja irgendwie alle gleich aus. Bis ich das Tattoo auf dem behaarten Arm des Glatzköpfigen entdeckte.
    »Ihr seid das?« Verwirrt fuhr ich mir übers Gesicht. Vor lauter Aufregung fing meine Stimme an zu quieken.
    »Kennen sich offensichtlich«, hörte ich die Beamten sagen. Jemand sprach in sein Funkgerät: »Handelt sich tatsächlich um Mutter und Sohn, Täter offensichtlich auch bekannt, die Frau trägt maßgeblich zur Aufklärung des Sachverhaltes bei.«
    Ich stieß ein sarkastisches Lachen aus. »Die zwei Versicherungsvertreter!« Ich schlug mir vor die Stirn. »Manchmal brauche ich ein bisschen, bis ich Leute wiedererkenne«, sagte ich höflich. »Bitte nicht persönlich nehmen! Das liegt an meinem Alter!« Ich beugte mich zu ihnen hinunter. »Wie nett, Sie wiederzusehen! Leider kann ich Ihnen jetzt auf die Schnelle kein Bier anbieten!«
    Mit zitternden Fingern hob ich meine Tasche auf, die mir von der Schulter gerutscht war.
    Roman hatte inzwischen seinen Sohn Ben an sich gerissen. »Benni! Oh, ich schäme mich so! Benni, mein Schatz!« Seine gehetzte, verzweifelte Miene entspannte sich sichtlich. »Mein Sohn! Dass ich dich wiederhabe! Ich hab dich gar nicht verdient!«
    Die Einsicht! War DAS der Moment der Einsicht?! Plötzlich hatte ich einen Kloß im Hals. »Das wäre ja eigentlich mein Text gewesen!«, murmelte ich, um die Situation zu retten, und grinste schief. Plötzlich spürte ich, dass mir die Tränen kamen. Aber ich weigerte mich zusammenzuklappen. Das konnte ich später immer noch tun.
    In diesem Moment hatten sich die ersten Pressefotografen bis zum Ort des Geschehens durchgeboxt. Blitzlichtgewitter zuckte.
    »Räh«, machte Benni und strampelte mit den Beinen. Und dann verzog er sein Gesichtchen und heulte los. Das war nun wirklich zu viel für ihn!
    Roman und ich sahen uns an. Wir umarmten uns im Blitzlichtgewitter der Boulevardfotografen und wollten uns gar nicht mehr loslassen. Fast hätten wir das plärrende Bennilein zwischen uns zerdrückt.
    »So, nun aber zusammenreißen!«, hörte ich Mutter sagen. »Du ärgerst dich morgen, wenn du dich so verheult in der Zeitung siehst.« Ich bückte mich und zog schnell ein Taschentuch aus der Manteltasche. »Das sind die Hormone!«, erklärte ich den beiden Gangstern aus Rom, die fassungslos zu uns emporstarrten. »Muss man Verständnis für haben. Wechseljahre, falls Sie verstehen, was ich meine.«
    Moment mal. Heulten die etwa? Waren die AM FLENNEN???
    »Der wollte viele Gelte vonne Bosse«, schluchzte der eine. »Musste wir töte!«
    »Meine Güte, da hat euer Verein ja seit zweitausend Jahren nix dazugelernt«, sagte ich kopfschüttelnd und richtete mich wieder auf. »Und das alles wahrscheinlich für läppische dreißig Silberlinge.«
    Arm in Arm zog ich mit Roman und Benni von dannen.

35
    A m nächsten Tag stand der Vorfall dick und fett in der Zei tung. Wir hatten sogar die Titelseite: »Mutige Mutter rettet Sohn vor der Mafia!« Und das Bild war auch nicht von
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