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Versunkene Inseln

Versunkene Inseln

Titel: Versunkene Inseln
Autoren: Marta Randall
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Jah­ren schlief?“
    Nein, ant­wor­te­te ich ihm in Ge­dan­ken. Sie gibt es längst nicht mehr, je­ne Frau mit dem glat­ten, rund­li­chen Kör­per und dem kas­ta­ni­en­far­be­nen Haar. Ich tra­ge nur ih­ren Na­men.
     

3
     
    Oft ver­dräng­te ich für ei­ne Zeit­lang die Tat­sa­che, daß sie mich wahr­schein­lich nie rich­tig ster­ben las­sen wer­den. Schließ­lich brau­chen sie mich, je­ne, die sich der ar­chai­schen Wis­sen­schaft der Ge­ron­to­lo­gie ver­schrie­ben ha­ben. Ich sei die ein­zi­ge mei­ner Art, sa­gen sie, und sie glaub­ten nicht, daß es noch­mals je­man­den wie mich gä­be. Und sie hat­ten si­cher­ge­stellt, daß ich kei­ne wei­te­ren Sterb­li­chen ge­bä­ren konn­te. Na­tür­lich wer­den sie mich nicht ein­fach so aus dem Le­ben schei­den las­sen. Ich bin da­zu ver­ur­teilt, äl­ter und äl­ter zu wer­den und mit den Jah­ren da­hin­zu­wel­ken. Bis ich als exo­ti­sches Aus­stel­lungs­stück im Kel­ler ei­nes. Mu­se­ums en­de, ein­ge­sperrt in einen Kon­ser­vie­rungs­be­häl­ter, durch ein Wirr war von Dräh­ten mit kom­pli­zier­ten Ma­schi­nen ver­bun­den. Ei­ne Le­gen­de, um un­se­re we­ni­gen Kin­der zu er­schre­cken und ge­hor­sam wer­den zu las­sen. Alp­traum­vi­sio­nen. Al­ler­dings. Und ei­gent­lich hät­te ich des­halb mit­ten in der Nacht krei­schend aus dem Schlaf fah­ren oder, un­ar­ti­ku­lier­te Lau­te schrei­end, an Deck der Ili­um her­um­lau­fen müs­sen. Aber die meis­ten mei­ner Kol­le­gen wa­ren be­reits aus­rei­chend über mich er­schro­cken, auch wenn sie fünf­zig oder hun­dert fünf­zig Jah­re äl­ter wa­ren als ich. Sie be­geg­ne­ten mir mit Ehr­furcht. Sie glaub­ten, ich sei sehr wei­se, nur weil der Kör­per, in dem ich ste­cke, im­mer mehr ver­dorrt.
    Vor vie­len Jah­ren, als ich ein we­nig be­nom­men und elend die Bi­blio­thek auf Lu­na durch­wan­der­te, ha­be ich mich mit ei­ner an­ge­neh­men Träu­me­rei un­ter­hal­ten. Ich stell­te mir vor, ich wür­de er­neut das Be­hand­lungs­zen­trum im süd­li­chen Afri­ka be­tre­ten und ein lä­cheln­der Ein­wei­ser be­tä­tig­te ei­ne ver­bor­ge­ne Tas­te, wor­auf­hin sich mit­ten im Raum ein Bild zu for­men be­gann. Das Bild ei­ner la­chen­den Frau mit glat­ter, bron­ze­far­be­ner Haut, er­füllt von der Kraft der Ju­gend. Und da mei­ne Lei­dens­zeit nun vor­über war, wür­de man mir ge­stat­ten, er­neut zu die­ser Frau zu wer­den. Als ich in je­ner ers­ten Nacht von Pauls Be­such auf mein Spie­gel­bild in dem dunklen Fens­ter starr­te, er­in­ner­te ich mich an die­se tö­rich­te, aber so ver­lo­cken­de Il­lu­si­on, schenk­te dem rea­len Bild ein grim­mi­ges Lä­cheln und ging zu Bett.
     

4
     
    Paul stand früh auf und kam zu mir in mei­nen Sand­gar­ten, wo ich ein we­nig her­um­wer­kel­te und dem ro­bus­ten Strand­ha­fer un­nö­ti­ge Pfle­ge an­ge­dei­hen ließ. Er brach­te mir ei­ne Tas­se Kaf­fee, und ich un­ter­brach die Ar­beit, um mich mit ihm zu un­ter­hal­ten.
    Nein, er hat­te sich über­haupt nicht ver­än­dert. Nackt und un­ge­zwun­gen rä­kel­te er sich auf der stei­ner­nen Bank, ge­strei­chelt von der mor­gend­li­chen Bri­se. Ich war na­tür­lich an­ge­zo­gen. Das er­staun­te mei­ne Kol­le­gen eben­so wie mein er­grau­en­des Haar und fal­tig ge­wor­de­nes Ge­sicht. Ich warf einen ra­schen Blick auf Pauls Kör­per, dann neig­te ich den Kopf, kon­zen­trier­te mich auf die al­ter­tüm­li­che, tö­ner­ne Tas­se in mei­ner Hand, und er sprach mich auf un­se­ren At­lan­tis­fund an.
    „Nein, du bringst die Sa­gen durch­ein­an­der“, er­klär­te ich ihm. „Es ist Ha­waii, ein Teil der In­sel­grup­pe, die wäh­rend der Großen For­mung ver­sank. In­ter­essant, ja, aber nicht At­lan­tis.“
    Paul zuck­te mit den Ach­seln und lä­chel­te. Was wuß­te er schon von At­lan­tis? „Und du suchst nach …?“
    Ju­gend, war ich ver­sucht, ihm zu ant­wor­ten. Ich su­che nach dem Jung­brun­nen, dem Stein der Wei­sen, um Blei in Gold zu ver­wan­deln. Oder in Bron­ze.
    „Nach al­lem“, sag­te ich. „Häu­sern, ir­gend­wel­chen Un­ter­la­gen, die über­dau­ert ha­ben, Kunst­ge­gen­stän­den. Manch­mal fin­den wir einen al­ten,
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