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Versunkene Inseln

Versunkene Inseln

Titel: Versunkene Inseln
Autoren: Marta Randall
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Bett­pfan­nen-Rei­ni­ger ins Zim­mer, ganz ver­ses­sen dar­auf, mit ih­ren Tests und Prü­fun­gen und Un­ter­su­chun­gen und De­bat­ten zu be­gin­nen. Oh, wie sie mich lieb­ten, die­se wiß­be­gie­ri­gen Trup­pen! Sie ver­schlan­gen mich mit den Au­gen, prüf­ten mei­nen Urin und frohlock­ten bei der Ana­ly­se mei­ner Ex­kre­men­te. Sie al­le sind Ger­ia­trie­s­pe­zia­lis­ten, und ich bin der ein­zi­ge zur Ver­fü­gung ste­hen­de Pa­ti­ent. Sie fol­gen mir über die gan­ze Welt, durch die gan­ze Ga­la­xis. Sie schwen­ken ih­re Sprit­zen und Sam­mel­fla­schen in der ver­zwei­fel­ten Hoff­nung, ich könn­te ih­nen einen Teil von mir zur Ver­fü­gung stel­len. Und das ma­che ich na­tür­lich: Sie er­hal­ten mich am Le­ben, sie sor­gen da­für, daß die ver­rot­ten­de Ma­schi­ne­rie mei­nes Kör­pers so lan­ge wie mög­lich funk­tio­niert. Und be­zah­len mich für die­ses Pri­vi­leg, so wie sie es mir vor vie­len Jahr­zehn­ten ver­spra­chen, un­ter der hei­ßen Son­ne von Süd­afri­ka. Im all­ge­mei­nen er­hei­tert mich die Iro­nie, daß sie mir ge­nü­gend Geld ge­ben, um die ge­fähr­li­chen Din­ge zu un­ter­neh­men, die sie so be­klag­ten. Aber na­tür­lich trei­be ich den Scherz nicht zu weit. Schließ­lich sind wir ganz und gar auf­ein­an­der an­ge­wie­sen: Oh­ne mich sind sie nichts – und ich nichts oh­ne sie.
    Nach ei­ner Wei­le lös­ten sie die Ver­bin­dun­gen, durch die ich an die Über­wa­chungs­sys­te­me an­ge­schlos­sen war. Dann ström­ten sie wie­der aus dem Zim­mer hin­aus, und je­der von ih­nen hü­te­te einen kost­ba­ren In­for­ma­ti­ons­fet­zen: ein paar Haut­schup­pen, einen Krug mit Urin, ei­ne klei­ne Phio­le mit Schweiß. Ich sah zu, wie sie mit die­sen win­zi­gen Bruch­stücken mei­nes Selbst hin­aus­rausch­ten, und wie­der stieg Är­ger in mir em­por. Wäh­rend ich mich ganz dem auf­quel­len­den Zorn hin­gab, der mich nun zu er­fül­len be­gann, trieb Dr. Hos­kins die letz­ten Nach­züg­ler aus dem Raum, schloß die Tür und ließ sich auf dem un­te­ren Teil des Bet­tes nie­der.
    „Nun, wie füh­len Sie sich?“
    Ich zuck­te mit den Ach­seln und lehn­te mei­nen Rücken an die küh­len Erg­pols­ter des Bet­tes. Ich moch­te Hos­kins fast. Für ge­wöhn­lich hiel­ten es mei­ne Ärz­te zwi­schen fünf und sie­ben Jah­ren aus, be­vor sie die Ge­ron­to­lo­gie auf­ga­ben, oder, was noch wahr­schein­li­cher war, die Me­di­zin über­haupt (was aber nicht mei­ne Schuld ist, wie ich hier rasch hin­zu­fü­gen muß). Doch Hos­kins wan­del­te be­reits seit fast elf Jah­ren in mei­nem Kiel­was­ser, und wenn sie mir in die­ser Zeit nicht sym­pa­thisch ge­wor­den war, dann hat­te ich doch zu­min­dest ge­lernt, sie zu to­le­rie­ren und zu schät­zen.
    „Wie üb­lich“, sag­te ich. „Al­les ge­ne­ral­über­holt, Kol­ben und Ge­trie­be ge­schmiert, der Mo­tor wie­der zu Höchst­dreh­zah­len be­reit. Wie hat es ge­klappt?“
    „Bes­tens. Die Nie­ren hal­ten noch ein Jahr, doch die Le­ber wer­de ich im Au­ge be­hal­ten müs­sen. Die Drü­sen ar­bei­ten ein­wand­frei. In die­ser Be­zie­hung soll­ten Sie für, äh, zwei, drei wei­te­re Jah­re oder so kei­ne Be­schwer­den ha­ben. Ih­re Lun­gen sind ge­spült wor­den.“
    „Ja, das ha­be ich be­merkt.“
    Sie run­zel­te die Stirn, und ihr wei­ches, rund­li­ches Ge­sicht sah mich nach­denk­lich an. „Ich wünsch­te, Sie er­zähl­ten uns, wie Sie das fer­tig­brin­gen … die­ses Hin­ein­tas­ten in den ei­ge­nen Kör­per.“
    Oh, wie sehr die­se Fra­ge sie doch al­le be­schäf­tig­te! In den letz­ten fünf und vier­zig Jah­ren hat­te ich sie im­mer wie­der ge­hört, in mehr oder we­ni­ger sub­ti­len Va­ria­tio­nen, und ich hat­te längst auf­ge­hört, mich dar­über zu är­gern. Aber die Ant­wort, wie auch der mys­te­ri­öse Schmerz in mei­nem Rücken, war et­was, das ich ganz für mich be­hielt. Soll­ten sie doch spe­ku­lie­ren und theo­re­ti­sie­ren und pos­tu­lie­ren – zu­min­dest die­se Din­ge ge­hör­ten ganz mir.
    „Ich ha­be es Ih­nen doch schon er­klärt“, log ich. „Es steht al­les in den al­ten Bü­chern über Me­di­ta­ti­on, die Zu­wen­dung zum in­ne­ren Kos­mos. Es
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