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Versunkene Inseln

Versunkene Inseln

Titel: Versunkene Inseln
Autoren: Marta Randall
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mich un­ter die großen Ap­pa­ra­te, und ich sah zu, wie sie mir die Plas­tik­ve­nen in den Nacken und den rech­ten Arm sta­chen und sie dann mit dem Trans­fu­sio­ner ver­ban­den. Ei­ne Chir­ur­gin mit ste­ri­li­sier­tem Um­hang und Mund­schutz beug­te sich über mich, und ei­ne am An­zei­ge­pult sit­zen­de Per­son ver­mel­de­te im­mer wie­der: „Al­les nor­mal.“ Oder ir­gend et­was in die­ser Art – mein Hör­sinn war nun sehr be­ein­träch­tigt. Ich wand­te den Blick von der Chir­ur­gin ab und starr­te hin­auf zur ge­wölb­ten Zu­schau­er­tri­bü­ne, die voll be­setzt war mit Stu­den­ten, Dok­to­ren und an­de­ren neu­gie­ri­gen Na­sen.
    „Al­les mei­net­we­gen“, dach­te ich. „Ei­ne gan­ze ver­damm­te me­di­zi­ni­sche Fach­ab­tei­lung, al­les mei­net­we­gen.“
    Ich muß es laut aus­ge­spro­chen ha­ben, denn die Kran­ken­schwes­ter beug­te sich zu mei­nem Ge­sicht her­ab und sag­te: „Tsts, wir sind al­so noch wach.“ Und be­tä­tig­te er­neut ih­ren Sen­sor. In die­sem Au­gen­blick sah ich, wie die Ärz­tin mit der Hand ein Zei­chen gab. Die großen Ap­pa­ra­te er­wach­ten sum­mend zum Le­ben, und ich war dank­bar, daß mir die Sin­ne schwan­den.
    Ich er­wach­te in mei­nem Zim­mer, fünf Stun­den spä­ter. Die Fens­ter wa­ren ab­ge­dun­kelt, das Licht war aus­ge­schal­tet, und die Ma­schi­nen, an die ich an­ge­schlos­sen war, mur­mel­ten mit lei­se sum­men­den Stim­men. Ich lag ganz still und spür­te, wie sich die letz­ten Schlei­er der Mü­dig­keit auf­lös­ten und das neue Blut durch mei­ne Ar­te­ri­en spül­te. Mei­ne Brust schmerz­te in­fol­ge der Kno­chen­mark­fil­te­rung, mein Bauch von der Ma­gen­rei­ni­gung, doch kurz dar­auf mach­ten mir die­se un­be­deu­ten­den Schmer­zen nichts mehr aus, und ich tas­te­te mich zu mei­nen wirk­li­chen Ein­ge­wei­den in die kom­pli­zier­te An­ord­nung von Röh­ren und Lei­tun­gen vor. Wie sau­ber und rein sich al­les an­fühl­te – all die klei­nen sum­men­den und gur­geln­den und po­chen­den und klop­fen­den Ap­pa­ra­tu­ren in mei­nem Fleisch. Sie hat­ten dies­mal mei­ne Lun­gen ge­spült, und ich spür­te, wie die Luft frisch durch sie hin­durch­weh­te, wie die klei­nen, ro­sa­far­be­nen Al­veo­len den Sau­er­stoff auf­nah­men und mein neu­es Blut da­mit sät­tig­ten, das flüs­ternd durch die Kanä­le und Lei­tun­gen rausch­te, das Pri­ckeln der Zel­len in den ver­schie­de­nen Haut­schich­ten, das Öff­nen und Schlie­ßen klei­ner Ab­laß­häh­ne, Ven­ti­le, die kur­ze Strö­me in Ma­gen und Or­ga­ne und Blut­kreis­lauf er­gie­ßen lie­ßen, wei­ches, rhyth­mi­sches Ran­gie­ren und Pul­sie­ren, die straf­fen Mus­keln und Bän­der, die fes­ten Kno­chen. Ich tauch­te tief hin­ein, glitt durch Ka­pil­lar­ge­fäße, schweb­te durch die Höh­len von Lun­ge und Ma­gen, hüll­te mich kurz in die Wär­me mei­ner Ge­bär­mut­ter, igno­rier­te wie ge­wöhn­lich das un­an­ge­neh­me Feh­len der Ei­lei­ter, ge­noß und schwelg­te in dem Ge­fühl von Fri­sche und Le­ben, von neu­em da­von über­zeugt, daß ich doch ewig le­ben wür­de, jung, ge­sund, mit nie nach­las­sen­der Ener­gie. Dann schlug ich die Au­gen auf und starr­te in den Re­flek­tor, denn sie auf mein Drän­gen hin an der De­cke in­stal­liert hat­ten. Kei­ne Ver­än­de­rung. Ich er­blick­te die glei­che vom Al­ter ge­zeich­ne­te, ver­welk­te und runz­li­ge Frau, er­leb­te die glei­che Er­kennt­nis, daß all das Re­pa­rie­ren und Durch­spü­len nur da­zu diente, den un­ver­meid­li­chen Tod ein we­nig hin­aus­zu­schie­ben. Er­grau­en­des Haar, das sich wie ein Schlei­er um das Ge­sicht wand, Fal­ten in Mund- und Au­gen­win­keln, da­hin­krie­chen­de Schläu­che, Elek­tro­den und Ka­bel, die zu den un­för­mi­gen Ma­schi­nen jen­seits der Wän­de führ­ten. Das bin ich, ge­nau. Ich mus­ter­te das Bild über mir, kämpf­te die Bit­ter­keit nie­der und war­te­te, bis die von mir ver­lang­te Stun­de post­ope­ra­ti­ver Pri­vat­sphä­re vor­über war. Dann stürm­ten die Ärz­te und Kran­ken­schwes­tern und Chir­ur­gen und Tech­ni­ker und As­sis­ten­ten und Stu­den­ten und
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