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Versunkene Inseln

Versunkene Inseln

Titel: Versunkene Inseln
Autoren: Marta Randall
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keinen Schuß mehr abgeben konnte und tauchte durch die Steigröhre hinauf. Der Riegel der dritten Ebene sauste mir entgegen; ich packte ihn, schwang mich aus der Röhre und eilte durch den Gang dem weiten Balkon entgegen, der den Schacht umgab. Ich brauchte einen Schweber, einen Flieger, Schwingen, irgend etwas – aber da war überhaupt nichts. Tobias glitt aus der Steigröhre heraus und feuerte einen Strahl aus konzentriertem Licht ab, der mir durch die Leere des Schachtes nachjagte. Ich rutschte auf den Fliesen aus, schlitterte auf der Hüfte weiter, prallte gegen die Balustrade und sprang wieder auf die Beine. Über mir verwandelte sich ein Teil der Korridorwandung zischend in Schlacke.
    Ich duckte mich und rannte über den Balkon. Er kam mir nach und wartete darauf, daß sich der Laser wieder auflud. Ich starrte zu ihm zurück, und das Bild von ihm wurde rhythmisch unterbrochen von den glänzenden Geländerstreben des Balkons.
    „ Ti-a!“ rief er, und seine Stimme warf ein hallendes Echo. Ich schauderte. Es konnte nicht Tobias sein, nicht das weiße und erstarrte Gesicht, die aufgerissenen Augen, der verzerrte Mund. Ich bin der Alptraum, dachte ich bestürzt und erschrocken, als er erneut meinen Namen rief.
    An der Ecke wuchs die Balustrade zu einer durchgehenden Wand zusammen und nahm mir die Sicht auf ihn. Ich hielt kurz inne, atmete schwer und wußte, daß sein Laser wieder aufgeladen war. Ich konnte noch immer nicht transferieren, und mein Körper war mit einer schlüpfrigen Schicht aus kaltem Schweiß überzogen.
    „Was geht da vor sich?“ donnerte der Interkom. Ich blickte um die Ecke des Geländers und sah, wie Tobias verblüfft auf den Lautsprecher starrte. Ich hastete zur Steigröhre, schwebte durch den schimmernden Schacht, griff ganz oben nach dem Riegel und katapultierte mich auf das mit Mosaiken versehene Flugdeck. Ich verlor erneut den Halt und rutschte hinter den Hüpf er. Ich umfaßte eine Strebe, hielt mich daran fest und versuchte, wieder zu Atem zu kommen. Die Flanke des Hüpf er s zischte, und ich stürzte quer über das Deck dem Minarett entgegen.
    Stimmen schrien, und ich konnte nicht sagen, ob sie aus dem Interkom kamen oder nicht. Es war nicht weiter wichtig, und sie ergaben auch kaum einen Sinn.
    „Was ist los? Was …“
    „… Laser! Aufhören! Ich befehle ..,“
    „Ich habe euch ja gesagt, daß sie hier ist! Ich habe ja gesagt …“
    „Haltet sie auf! Haltet sie auf!“
    „Tiiiiii-aaaaa!“
    Die Treppe wand sich glitschig in die Höhe. Ich eilte die Stufen hinauf, und Tobias war nur eine Kurve hinter mir. Ich lief schneller und hatte schreckliche Angst zu stolpern, zu fallen, auszugleiten oder langsamer zu werden.
    Und schließlich stürzte ich hinaus auf den obersten Absatz, den schmalen Sims, der das Minarett in fünfzehn Meter Höhe über dem Wasserspiegel umgab. Es gab nur einen Weg hinunter, und der führte über die Treppe. Keine Spalten, keine Nischen, kein Platz, an dem man sich verstecken konnte. Ich war nicht in der Lage innezuhalten und lief ganz um das Minarett herum, bis ich wieder in Sichtweite zur Treppe gelangte. Tobias sprang gerade auf den Sims und entdeckte mich. Ich blieb stehen und legte die Hand auf die kühle Wand des Minaretts. Er hielt den Laser ganz ruhig, und auf dem Lauf glühte die lindgrüne Bereitschaftsanzeige. Es gab keine Fluchtmöglichkeit mehr.
    „Tobias. Nicht. Bitte.“
    Und Tobias’ Lippen bewegten sich und formten ein Wort, das ich nicht hören konnte. Er schritt langsam auf mich zu.
    „Das ist kein Spiel, Tobias. Hör jetzt auf. Tobias?“
    Er kam weiter auf mich zu, und es war mir ein Rätsel, warum er mich nicht einfach erschoß. Ich hämmerte gegen die Türen in meinem Geist, und mein Innerstes krampfte sich zusammen in dem Bemühen zu transferieren, zu springen, fort von hier. Doch die Türen waren verriegelt, und ich konnte den Schlüssel nicht wiederfinden. Schritte ertönten auf der Treppe, Stimmen riefen auf dem Deck unter uns, und Tobias kaute sein unhörbares Wort. Seine Hand zitterte nicht im geringsten.
    „Tobias!“ Jenny stürmte auf den Sims und erstarrte, doch er wandte den Blick nicht von mir ab. Er hob den Laser und nahm mich mit dem Finger am Abzug sorgfältig aufs Korn.
    „NICHT!“ schrie mein Mund, mein Geist, mein Innerstes, meine Seele. NICHT! AUFHÖREN!
    Und Tobias hörte auf.
    Sein Gesichtsausdruck veränderte sich nicht, als er nach vorn kippte und regungslos liegenblieb. Eine Hand ragte über den Sims
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