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Versunkene Inseln

Versunkene Inseln

Titel: Versunkene Inseln
Autoren: Marta Randall
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Brot, ein Dutzend verschiedene Früchte, eine Scheibe Corned beef und eine Aufbewahrungseinheit, um die Lebensmittel frischzuhalten. Einem plötzlichen Impuls folgend, fügte ich noch die Hälfte von einem Rundkäse, einige Stasispackungen mit Gemüse und drei Obsttörtchen hinzu, dann transferierte ich mich und meine Beute in den Raum.
    Und wieder zurück zur Tauchkammer. Es dauerte nur einen Augenblick, den Servo auf die Signalfolge des Peilers zu programmieren, und ich beobachtete, wie er ins klare Wasser hineinglitt und in der Tiefe verschwand.
    Hatte ich hier sonst noch etwas zu erledigen? Nur Neugier schlummerte noch in mir, und ich entschied, ich könne es mir leisten, sie zu befriedigen. Meine Wünsche in Hinsicht auf die Ausrüstungsgegenstände waren erfüllt, und die Rückkehr in mein Zuhause am Meeresgrund erforderte nur den Bruchteil einer Sekunde. Wo waren die Unsterblichen? Ich konnte sie nicht verlassen, so sagte ich mir, ohne mich mit einem letzten Blick von ihnen zu verabschieden. Und was machte es schon, wenn dieser Blick Triumph und höhnische Freude ausdrückte? Ein bißchen Frohlocken stand mir durchaus zu.
     

48
     
    Ich sprang ins Museum, spähte durch einen der vielen Torbögen in der vom Sonnenschein durchtränkten Halle und konnte keinen Immortalen entdecken. Aber mit der Art des Lichtes stimmte etwas nicht. Irgend etwas fehlte, und ich trat ganz in den Raum hinein. Alle Spiegel waren zerstört. Glassplitter und -scherben lagen inmitten der umgestürzten und zerbrochenen Ausstellungsvitrinen. An den Rahmenkanten hingen lange Spiegelzacken, die jeden Augenblick herabfallen konnten und deren verzerrte Reflexionen zitterten und tanzten, als ich daran vorbeikam. Der Boden gleißte in allen Farben des Spektrums. Ich sah mich verblüfft um und setzte meinen barfüßigen Weg durch das Chaos vorsichtig fort. Warum? Wer? Weshalb? In irgendeiner Weise stand es mit mir im Zusammenhang: Meine Vitrinen wiesen die größten Beschädigungen auf, und meine Funde waren alle zerstört. Doch ich begriff nicht, inwiefern ich zu dieser Verheerung Anlaß gegeben hatte. Ich wanderte zum gegenüberliegenden Ende der Halle, wo ich das neueste Artefakt ausgestellt hatte, den Plastikkasten mit den Schreibfedern, der in den Ruinen von Hilo entdeckt worden war. Er war nicht mehr da. Dieser Raum trug nicht mehr meinen Stempel. Mit zornigem Nachdruck hatte jemand all meine Arbeiten und Mühen und Erinnerungen ausradiert. Ich warf erneut einen Blick in die Runde und transferierte in den Maschinenraum.
    Um mich herum brummten dumpf die Generatoren und speisten die Ergfelder und Versorgungssysteme des Schiffes mit Energie. Am Fuße des defekten Geräteblocks lagen noch immer Benitos Werkzeuge verstreut, vergessen inmitten der aufragenden bronzefarbenen Ungetüme. Oder die Unsterblichen glaubten vielleicht, sie seien mit einem bösen Fluch behaftet und ließen sie aus diesem Grund auf ewig auf dem glänzenden Boden liegen – das einzige Grabmal, das je an Benito erinnern würde. So wie das Museum meine Gedenktafel sein mochte? Es schien angemessen. Ich trat vorsichtig über die Werkzeuge hinweg, kletterte auf die rotierende Plattform und sah auf die langen Reihen der Skalen und Meßuhren hinab.
    Als ich mich umsah und mit dem Finger über den kühlen Plaststahl des Kontrollpultes strich, flackerten mir kurze, in lebhaften Farben gehaltene Erinnerungsbilder entgegen. Benito, wie er über die Anzeigen und Sensoren gebeugt war und die Generatoren aussteuerte, als die Ilium sanft in die Tiefen des Ozeans hinabglitt. Wie Benito mit mikroskopischer Präzision sein Spielzeug konstruierte, seine Skulptur. Ein Benito, der in der geöffneten Seite der Maschine kauerte und starb, um sowohl das Schiff als auch seine Besatzung zu schützen. Benito in orangefarbener Wolle.
    Etwas fiel mit einem lauten Klirren zu Boden, und ich drehte mich rasch um und erkannte Tobias. Er stand wie gelähmt neben dem wuchtigen Metalleib des defekten Generators; seine Augen waren weit aufgerissen und starrten mich aus einem plötzlich kalkweiß gewordenen Gesicht an. Jeder Muskel gespannt, die Finger steif und gekrümmt, die Beine vor Schrecken wie am Boden festgenagelt. Vor seinen Füßen lag ein großes, zerbrochenes Glassitvoltmeter.
    Sprachloses Entsetzen.
    „Hallo, Tobias“, sagte ich, lächelte und streckte ihm in einer sardonischen Begrüßungsgeste die Hand entgegen. Er sprang zurück und prallte mit der Schulter gegen den Generator. Der
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