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Versuchung

Versuchung

Titel: Versuchung
Autoren: Juliane Maibach
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als ich begriff, dass Night der
Occasus ist. Nur aufgrund meines falschen Stolzes konnte er so lange unentdeckt
an unserer Schule leben und letztendlich sogar entkommen.“
      Dann sollte ich ihm
in diesem Punkt ja sogar dankbar sein.
      „Es ist aber nicht
nur das“, fuhr er langsam fort. „Ich hatte die Chance, ihn zu vernichten.“
      Er blickte gedankenversunken
Richtung Decke, als würde er noch einmal alle Ereignisse vor sich sehen.
      „Ich hatte in dem
Buch ein Rezept für einen Trank gefunden, mit dem man Dämonen vernichten kann.“
      Ich wusste sofort,
von welchem Buch er sprach. Damals hatten Thunder und ich ihn damit überrascht.
Es hatte von seinem Blut getrunken, als Preis dafür, dass es ihm das Rezept für
den Trank gab.
      „Ich hatte alles vorbereitet
und bin auf den Schattenball gegangen, um ihn zu beobachten. Sobald ich ihn
irgendwo allein antreffen würde, wollte ich ihn damit vernichten.“ Er hielt
kurz inne und schien mit der Wut auf sich zu ringen.
      Das war also das
Fläschchen gewesen, das ich damals in seiner Hand gesehen hatte?! Nun sah er
mich an und wirkte ehrlich verletzlich.
      „Ich konnte es
nicht … verstehst du? Es ist meine Schuld … ich hatte die Chance, doch ich
hatte auch Angst. Was, wenn der Trank nicht wirkt? Was, wenn mich Night
angreift, bevor ich ihn einsetzen kann? Ich war ein Feigling und bin gegangen.“
      Wieder schwieg er.
      „Warum erzählst du
mir das alles?“
      „Weil niemand uns
so gut verstehen kann, wie wir einander.“ Er seufzte kurz und fuhr dann fort: „Und
weil ich mich noch immer schlecht fühle. Ich hätte wenigstens dich warnen
müssen. Sobald ich es wusste, hätte ich zu dir kommen müssen, um dich außer
Gefahr zu bringen. Es tut mir noch immer leid, dass ich das nicht getan habe.“
      „Ist schon gut“,
meinte ich. Es hätte an dem Ganzen nichts geändert, wahrscheinlich hätte ich Duke
damals ohnehin nicht geglaubt. Und im Endeffekt liebte ich Night jetzt, wo ich
die Wahrheit kannte, ja noch immer.
      „Du musst eine
schlimme Zeit hinter dir haben“, sagte er weiter und sah mich beinahe zärtlich
an. Er lehnte sich gegen den Spind und schwieg für einen Augenblick. „Es war
nett, dass du dich für mich eingesetzt hast, als deine Freundin mich für den
Occasus hielt.“
      Ich war mir nicht
sicher, was dieses Glitzern in seinen Augen zu bedeuten hatte. Ahnte er etwa,
woher ich gewusst hatte, dass er unschuldig war? Hatte er irgendwie erkannt,
dass ich eine Divina war?
      „Ich wollte dir jedenfalls
endlich dafür danken.“
      Ich konnte seinen
Gesichtsausdruck nicht deuten.
      „Wollen wir nicht
noch mal ganz von vorne anfangen und einfach alles hinter uns lassen? Immerhin
weißt du jetzt, dass ich recht hatte, als ich dich damals vor ihm gewarnt habe.
Als hätte ich es stets gefühlt, dass etwas mit ihm nicht stimmte.“
      Wut brannte wie
Säure in meinen Adern. Ich hasste es, wie er über Night sprach. Andererseits
musste ich vorsichtig sein. Ich hatte keine Ahnung, wie viel Duke nun wirklich
über mich wusste. Es war sicher besser, nicht offen zu zeigen, dass ich
weiterhin hinter Night stand. Nur, wenn ich nicht verdächtig war, würde ich ihm
in Zukunft helfen können. Falls ich ihn überhaupt jemals wiedersehen sollte.
Diese Angst stach mir wieder so tief ins Herz, dass ich ein paar aufkommende
Tränen wegblinzeln musste.
      Aber andererseits
konnte ich diesem Kerl doch nicht beipflichten und so tun, als seien wir nun
befreundet.
      „Ich …“, gerade
setzte ich zu einer Antwort an, als eine Person den Flur entlanggerannt kam.
      „Duke!“, rief Risu.
      „Nicht die schon
wieder“, ächzte er und wandte sich ein letztes Mal an mich. „Überleg es dir. Du
siehst, ich muss jetzt schnell weg. Also, bis dann.“
      Er nahm meine Hand,
drückte sie kurz, lächelte und eilte davon.
      „Wo rennst du
hin?“, rief das Mädchen ihm nach. Als sie bei mir angekommen war, blieb sie kurz
stehen.
      „Worüber habt ihr
gesprochen?“
      „Nichts Besonderes“,
erwiderte ich. „Über die Ferien, die Atmosphäre in der Schule …“
      Sie musterte mich
durchdringend. Da lag ein eigenartiges Flackern in ihren Augen, das mich
seltsam beunruhigte.
  „Soso …“, murmelte sie, während ihr Blick ein wenig weicher wurde. „Dann ist
ja gut.“ Und mit ihrer fröhlichen, hohen Stimme fuhr sie fort: „Ich muss
weiter. Ich hab Duke noch so viel zu erzählen, bis bald!“
      Dieses Mädchen
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