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Verstehen Sie das, Herr Schmidt? (German Edition)

Verstehen Sie das, Herr Schmidt? (German Edition)

Titel: Verstehen Sie das, Herr Schmidt? (German Edition)
Autoren: Helmut Schmidt , Giovanni di Lorenzo
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»Weggefährten« schreiben Sie mit großer Wärme über Lilli Palmer. Es wirkt so, als ob Sie sie gut gekannt und gemocht hätten.
    Das stimmt. Sie war mit meiner Frau genauso befreundet wie mit mir. Sie war mehr als eine Schauspielerin; sie hatte eine große Lebenserfahrung und war eine sehr angenehme Gesprächspartnerin.
    Sie konnte auch malen und schreiben.
    Ja. Sie hat nicht lange genug gelebt.
    War Lilli Palmer eine Frau zum Verlieben?
    Ja, aber ich habe mich nicht verliebt.
    Sie war Jüdin und emigrierte 1934 nach Paris. Hat sie den Deutschen am Ende ihres Lebens wieder trauen können?
    Ich habe sie nicht als Jüdin gesehen.
    Hat sie von sich aus darüber geredet?
    Kaum, nein, glaube ich nicht. Ich bin mit vielen Juden befreundet gewesen oder bin es noch. Aber die allerwenigsten von ihnen haben mir gegenüber von ihrem Judentum gesprochen. Das war auch nicht notwendig, denn ich wusste über den jüdischen Glauben und über die Ermordung von Millionen europäischer Juden Bescheid – und man wusste, dass ich gewusst habe.
    Seit wann wussten Sie Bescheid?
    Nach dem Krieg erfuhr ich von der Ermordung von sechs Millionen Juden. 1966 bin ich zum ersten Mal nach Israel und nach Yad Vashem gegangen. Ich war auch der erste Bundeskanzler, der nach Auschwitz gegangen ist. Ich habe dort eine Rede gehalten, die mit den Worten anfing: »Eigentlich gebietet dieser Ort zu schweigen. Aber ich bin sicher, dass der deutsche Bundeskanzler hier nicht schweigen darf.« Ich war sehr bewegt.
    Hat sich der deutsche Bundeskanzler geschämt?
    Er war ein Mitbetroffener.
    Haben Sie sich damals nicht als Vertreter des Volks der Täter gefühlt?
    Nein. Ich bin auch dagegen, die Deutschen schlechthin als ein Tätervolk zu bezeichnen.
    Ist Ihnen bewusst, dass Sie vom Leben besser behandelt worden sind als die meisten? Sie haben enorm viel erleben können, und Sie haben es so weit gebracht wie nur wenige auf der ganzen Welt.
    Kann sein.
    Empfinden Sie das als Geschenk?
    Nicht als Geschenk. Es gab ja auch sehr unerfreuliche Erfahrungen, die würde ich nicht auslassen wollen. Wir haben Hanns Martin Schleyers Leben riskieren müssen, um das Leben von neunzig anderen Menschen zu retten. Das ist uns mit viel Glück gelungen. Aber Schleyers Leben haben wir nicht retten können. Das verantworten zu müssen, wiegt tausend andere glückliche Erfahrungen nicht auf.
    Darüber denken Sie immer wieder nach?
    Darüber denke ich bisweilen nach. Ich kann es nicht ungeschehen machen. Damit muss ich leben.
    2. August 2012

Das Buch
    Mit ihrem Interview-Band »Auf eine Zigarette mit Helmut Schmidt« haben sie Hunderttausende Leser begeistert, nun legen Giovanni di Lorenzo und Helmut Schmidt ihre neuen Gespräche vor. Unter dem Titel »Verstehen Sie das, Herr Schmidt?« hat der Chefredakteur den Herausgeber der ZEIT mehr als zwanzig Mal zum Zeitgeschehen befragt, seit September 2009 sind die Interviews in loser Folge im ZEITmagazin erschienen.
    Dass der Altkanzler für seine Analysen diesmal nicht bloß eine, sondern mehrere Zigarettenlängen braucht, hat den berühmten Schmidt-Sound nur noch verstärkt. Kein Wunder also, dass Giovanni di Lorenzo des Öfteren die »Nehmerqualitäten des wackeren Fragestellers« (Denis Scheck) unter Beweis stellen muss.
    In den neuen Gesprächen geht es unter anderem um die Bilanz der schwarz-gelben Koalition und die Lage der SPD, um den Atomausstieg, die Wutbürger und die Piratenpartei, um die Tötung Osama bin Ladens und die Schuldenkrise in Europa. Immer wieder spricht Schmidt auch über ganz private Erinnerungen und liefert überraschende Einschätzungen – zum Beispiel über »diese Jungs, die da in Manhattan die Investmenthäuser belagern«.

Die Autoren
    Helmut Schmidt, geboren 1918 in Hamburg, war von 1974 bis 1982 Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland und ist seit 1983 Mitherausgeber der Wochenzeitung Die Zeit. Schmidt ist bis heute im In- und Ausland als elder statesman und Publizist hochgeachtet, seine politischen Urteile und historischen Erfahrungen gewichtig und gefragt. Zuletzt erschien sein gemeinsam mit Peer Steinbrück verfasstes Gesprächsbuch »Zug um Zug«.
     
    Giovanni di Lorenzo, 1959 in Stockholm geboren, arbeitete nach Abschluss des Studiums in München zunächst als politischer Reporter und Leiter des Reportageressorts »Die Seite Drei« bei der Süddeutschen Zeitung . Seit 1989 moderiert er die Fernsehtalkshow 3 nach 9 von Radio Bremen. 1999 wurde er zum Chefredakteur der Berliner Tageszeitung
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