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Versprechen eines Sommers

Versprechen eines Sommers

Titel: Versprechen eines Sommers
Autoren: Susan Wiggs
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geworfen, die Schultern gezuckt und in Imitation der englischen Upperclass erwidert: „Barkis steht zu Ihren Diensten.“
    Der Angeber. Lolly hatte so getan, als wäre sie nicht davon beeindruckt, dass er aus David Copperfield zitiert hatte. Außerdem hatte sie vorgegeben, nicht zu bemerken, wie die anderen Jungs ihn piesackten und mit den Ellbogen anstießen, weil er ein Team mit Lolly Bellamy bilden musste.
    Er war nicht der typische Kioga-Camper – sie musste es wissen, schließlich kam sie seit ihrem achten Lebensjahr hierher. Diesem Jungen – der zum ersten Mal dabei war – fehlte noch der letzte Schliff. Seine Haare waren ein wenig zu lang, die Cargo-Shorts saßen ein wenig zu tief auf seinen Hüften. Vielleicht sah er sogar ein wenig gefährlich aus, mit diesen blassblauen Augen und den dunklen Haaren; eine Kombination, die zugleich anziehend und beunruhigend war.
    Durch die Bäume hindurch sah sie Gruppen von zwei oder vier Leuten laufen, die miteinander quatschten und lachten. Es war erst der erste Tag vom Sommercamp, aber die Kinder fingen schon an, auszutarieren, mit wem sie sich dieses Jahr anfreunden würden. Lolly wusste, dass man sie bereits ausgemustert hatte. Natürlich, das taten sie immer. Wenn sie nicht ihre Cousinen hätte, würde sie ganz schön in der Patsche sitzen, so viel stand mal fest.
    Sie schob ihre Brille auf der Nase hoch und spürte einen dumpfen Schlag der Eifersucht in ihrem Magen, als sie die anderen Camper betrachtete, die sich miteinander schon total wohlzufühlen schienen. Sogar die Neuen, wie der schlaksige Junge, gehörten bereits dazu. Gerade mal aus dem Bus ausgestiegen, gingen sie schon nebeneinander her, quasselten in einer Tour und brachten sich gegenseitig zum Lachen. Einige der Mädchen trugen ihre Camp-Hoodies nonchalant um die Schultern geschlungen und schafften es so, selbst der Einheitskleidung des Camps einen modischen Stempel aufzudrücken. Die meisten Jungs hatten sich die Kioga-Bandanas im Rambo-Stil um den Kopf gebunden. Alle stolzierten umher, als gehöre der Ort ihnen.
    Was irgendwie lustig war. Denn keinem der Kinder gehörte Kioga. Außer Lolly.
    Zumindest auf gewisse Art. Das Sommercamp gehörte ihren Großeltern, Nana und Granddad. Als sie noch bei den Fledglings war, den Acht- bis Elfjährigen, hatte sie vor den anderen Kindern damit angegeben, aber das hatte auch nie richtig funktioniert. Den meisten Kindern war das völlig egal.
    Der große Junge fand einen Hickory-Stock und benutzte ihn, um auf das Unterholz einzuschlagen oder sich beim Gehen darauf zu stützen. Sein Blick schweifte aufmerksam umher, als wenn er damit rechnete, dass ihn jederzeit etwas anspringen könnte.
    „Ich nehme an, dein Name ist dann wohl Ronnoc“, sagte Lolly schließlich.
    Er machte ein finsteres Gesicht und warf ihr über die Schulter einen Blick zu. „Häh?“
    „Das steht auf dem Rücken deines T-Shirts.“
    „Ich trage es auf links gedreht, du Genie.“
    „Das war auch nur ein Witz, Schlauberger.“
    „Ha, ha.“ Er steckte den Stock in den Boden.
    Ihr Ziel war der Gipfel des Saddle Mountain, der eigentlich kein wirklicher Berg war, mehr ein großer Hügel. Einmal oben angekommen, würde ein Kreis aus Baumstämmen mit einer Feuerstelle in der Mitte sie erwarten. Das war der Ort vieler Camp-Traditionen. Nana hatte erzählt, dass Reisende in den Zeiten der ersten Siedler Signalfeuer auf solchen Erhöhungen anzündeten, um über weitere Strecken miteinander zu kommunizieren. Es lag Lolly schon auf der Zunge, diese Belanglosigkeit mit ihrem Wanderpartner zu teilen, aber dann überlegte sie es sich doch anders und presste die Lippen fest aufeinander.
    Sie hatte sich bereits entschieden, den Jungen nicht zu mögen. Um ehrlich zu sein, hatte sie sich sogar entschieden, diesen Sommer keines der Kinder zu mögen. Ihre beiden liebsten Cousinen, Frankie – Kurzform für Francine – und Dare begleiteten sie normalerweise, und sie schafften es immer, dass Lolly sich fühlte, als hätte sie echte Freunde. Aber dieses Jahr waren sie mit ihren Eltern Tante Peg und Onkel Clyde nach Kalifornien gefahren. Lollys Eltern machten solche Reisen nicht. Sie kannten nur welche, mit denen sie danach angeben konnten. Ihre Eltern mochten so ziemlich alles, womit es sich angeben ließ – Reisen, Immobilien, Antiquitäten, Kunst. Sie gaben sogar mit Lolly an, aber das fiel ihnen merklich schwer. Vor allem jetzt, nach der sechsten Klasse, wo ihre Noten sanken und ihr Gewicht stieg. Das
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