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Verseucht - Endzeit-Thriller (German Edition)

Verseucht - Endzeit-Thriller (German Edition)

Titel: Verseucht - Endzeit-Thriller (German Edition)
Autoren: Tim Curran
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Krankenhaus zu bringen, denn die Kliniken kamen mit der Versorgung von Kranken und Sterbenden längst nicht mehr nach. Auf den Gängen drängten sich Menschen, die auf eine Behandlung warteten. Die Verbrennungsanlagen der Krankenhäuser waren ständig in Betrieb und loderten wie Hochöfen, während dort verseuchte Verbände, Abfälle, Körperflüssigkeiten und auch Leichen in Flammen aufgingen. Das Gesundheitswesen im Bundesstaat Ohio war von der Masse der Infizierten schlicht überfordert, mit diesem Ansturm konnte es nicht fertig werden. Und in den anderen Bundesstaaten sah es nicht anders aus. Niemand war auf eine solche Situation vorbereitet.
    Als irgendwann keine Medikamente und Sanitätsartikel mehr geliefert werden konnten – mittlerweile hatten die Fabriken im ganzen Land dichtgemacht und der Handel war zum Erliegen gekommen –, brach die ärztliche Versorgung völlig zusammen. Schon vorher waren große Teile des medizinischen Personals selbst erkrankt.
    Sicher können Sie sich jetzt ein Bild von der Lage machen.
    Für Shelly, die sowieso schon schwer an der Strahlenkrankheit litt, bedeutete die Cholera den letzten Sargnagel. Ich wusch sie, pflegte sie, so gut ich konnte, fütterte sie und hielt sie viele Nächte lang in den Armen.
    Cholera ist eine widerliche Krankheit.
    Eine Krankheit, die ständige Übelkeit, Durchfall, schmerzhafte Krämpfe, Dehydrierung, Fieber und Wahnvorstellungen mit sich bringt. Wer daran erkrankt ist, bietet keinen hübschen Anblick.
    Ich pflegte Shelly so, wie sie’s mir im Krankenhaus geraten hatten. Sie hatten mir auch Medikamente mitgegeben. Also sorgte ich dafür, dass meine Frau viel trank. Löste Natrium, Kalium, Traubenzucker und Chlorid in ihrem Trinkwasser auf und stellte sicher, dass sie es hinunterschluckte. Gab ihr Spritzen mit Antibiotika, injizierte ihr Tetracyclin, Ampicillin und Chloramphenicol. Doch die meiste Zeit über nahm ich sie nur in die Arme und beruhigte sie, während irgendetwas in meinem Innern, vielleicht Hoffnung und Zuversicht, wie Blumenblüten in einer Gruft verkümmerten und verdorrten.
    Es waren schreckliche Tage und Nächte.
    Immer wieder musste ich daran denken, dass wir noch im August Urlaub an der Chesapeake Bay auf Smith Island gemacht und dort wunderbare Tage miteinander verbracht hatten. Die strahlende Sonne hatte das Wasser funkeln lassen, und ich hatte Shelly den Rücken mit Sonnenöl eingerieben. Ihre Haut hatte einen Bronzeton angenommen, der das tiefe Meerblau ihrer Augen hervorhob. Tagsüber hingen wir am Strand herum, abends aßen wir Muscheln, und nachts schliefen wir miteinander.
    Und nur sechs Monate später starb sie zitternd in meinen Armen.
    Tagelang wachte ich über ihrem Leichnam.
    Es war wohl eine Art Totenwache, eine irgendwie perverse Totenwache. Ich zündete Kerzen an und sprach mit Shelly; abwechselnd weinte ich oder rief sie laut beim Namen. Und die meiste Zeit über betäubte ich meinen Schmerz mit Alkohol, trank Whiskey und überließ mich dem Sog und gefährlichen Strudel einer Psychose, bei der sich Trauer mit Schuldgefühlen und Realitätsverlust mischte.
    Unten, in den Straßen, rollten die Leichenwagen vorbei und die Verrückten randalierten. Das, was von der Polizei noch übrig war, ertränkte den Tumult auf grausame Weise in Blut, bis die Polizisten selbst Opfer ihres Einsatzes wurden.
    »Sie werden dich nicht kriegen, Shelly«, versicherte ich meiner Frau. »Das werde ich nicht zulassen.«
    Von Tag zu Tag wurde es schlimmer.
    Seit dem Ende der Welt waren inzwischen vier Monate vergangen, vier Monate, und immer noch war ich in Youngstown. Vielleicht in der Hoffnung, dass die Menschheit sich schon irgendwann neu organisieren würde und wir es schaffen könnten, dieses schwer zu flickende Gebilde namens Gesellschaft wieder zusammenzufügen. Ich musste dabei an den zerbrechlichen Humpty Dumpty aus dem englischen Kinderreim denken.
    Aber diese Hoffnung war vergeblich, wie der Leichnam auf der Couch mir deutlich zeigte.
    Mir war durchaus bewusst, dass ich besser daran getan hätte, diese Stadt zu verlassen.
    Zusammen mit Shelly hätte ich weggehen sollen – vielleicht über die Staatsgrenze nach Pennsylvania, zu meiner Schwester in Newcastle –, aber ich hatte mich aus irgendeinem Grund an die irrige, wahnwitzige Vorstellung geklammert, der Weltuntergang werde irgendwann wie ein Grippeanfall vorübergehen. Zwar hatte sich die Zivilisation über und über besudelt und die Seele aus dem Leib gekotzt, aber eines
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