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Verseucht - Endzeit-Thriller (German Edition)

Verseucht - Endzeit-Thriller (German Edition)

Titel: Verseucht - Endzeit-Thriller (German Edition)
Autoren: Tim Curran
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Leichentuch entfernt, überwältigten mich Ekel, Übelkeit und der Wahnsinn der ganzen Situation so sehr, dass ich jede Energie verlor und zusammenbrach. Während sich zahllose summende Fleischfliegen auf meinem Gesicht niederließen und sich verweste Fleischbrocken unter meinen Fingernägeln festsetzten, glitt ich kraftlos an dem Leichenberg hinunter.
    »Bist du jetzt bereit, herunterzukommen, Söhnchen?«, fragte einer der Männer.
    Sobald ich vom Lastwagen gestiegen war, stießen sie mich zu Boden und verprügelten mich so lange, bis ich das Bewusstsein verlor. Stunden später kam ich auf dem Grasstreifen neben der Straße, wo sie mich hatten liegen lassen, wieder zu mir. Es war so kalt, dass mein Atem weiße Wölkchen bildete. Mein erster Blick fiel auf einen Hund, der mir Reste der Aasbrocken von den Fingern leckte, mein zweiter Blick auf den Mond, dessen Antlitz dunkle Flecken aufwies: Spuren des schwarzen Rauches, der aus den ständig lodernden Leichengruben aufstieg.
    So weit war es mittlerweile gekommen.
    Gott segne Amerika.
    5
    Danach wollte ich nur noch allein sein, vor mich hin brüten und mich mit einer Flasche Whiskey in aller Stille ins Koma saufen, doch Bill Hermes fand mich und ließ es mir nicht durchgehen.
    »Sie ist jetzt tot«, sagte er. »Shelly ist von uns gegangen und hat ihren Frieden gefunden. Entweih nicht die Erinnerung an sie, indem du dich selbst kaputtmachst.«
    Weiser Ratschlag. Mir war klar, dass er völlig recht hatte. Und genauso klar war mir, dass ich seinen Rat nicht befolgen würde. Mir ging es nur noch um Selbstzerstörung und kaltes, weißes Vergessen. Möglich, dass Bill es spürte, denn er erhitzte Wasser auf seinem Holzkohleofen, ließ ein Bad ein und brachte mich dazu, mich zu waschen. Und als das erledigt war, machte er mir was zu essen. Es war nur Essen aus der Konserve, wie jede warme Mahlzeit in diesen Zeiten, doch zumindest füllte es den Magen. Er sah zu, wie ich in dem gepökelten Rindfleisch und dem Rührei aus Eipulver herumstocherte, beobachtete mich sehr genau. Schließlich entnahm er einer zerknautschten roten Packung eine Winston, brach den Filter ab, zündete sie an und ließ Rauch aus der Nase entweichen. Und die ganze Zeit über behielt er mich im Auge.
    »Also, spuck’s schon aus, Bill«, sagte ich. »Du willst was loswerden, also red schon.«
    Er kicherte. »Ich finde es an der Zeit, dass du deinen alten Seesack packst und weiterziehst. Hier gibt’s nichts mehr, was dich halten könnte. In der Stadt wird’s jeden Tag schlimmer. Hau ab, zieh aufs Land, wo ein Mann wie du noch eine Chance hat.«
    »Aber Shelly und ich haben hier gelebt. Das war unser Viertel.«
    »Das ist jetzt alles Vergangenheit, mein Junge. Nur noch Erinnerung. Geh um Himmels willen fort. Jetzt gleich.«
    »Und du kommst mit?«
    »Wozu? Für mich gibt’s da draußen nichts mehr. Für einen Neuanfang bin ich doch viel zu alt, verdammt noch mal.«
    Ich legte die Gabel aus der Hand. »Auch dich halten hier nur noch Erinnerungen, Bill.«
    Er blies ein Rauchwölkchen aus. »Wenn du in mein Alter kommst, zählt kaum noch was anderes.« Er wandte sich ab, spähte durch die Vorhänge auf die Straße und schüttelte resigniert den Kopf. »Die Stadt ist nur noch ’ne gottverdammte Jauchegrube, Rick. Ich wollte schon lange von hier weg. Hätt’s auch getan, wenn es Ellen hier nicht so gut gefallen hätte. Sie ist nur zwei Straßen von unserer späteren Wohnung aufgewachsen. Und selbst nach Ellens Tod ... Ich weiß nicht, was es war ... Irgendwas hat mich hier festgehalten.«
    »Und so ist es auch bei mir.«
    »Bockmist.« Als Bill die Hand vor den Mund schlug und hustete, fiel mir wohl zum ersten Mal auf, wie fleckig sein Gesicht wirkte. Und es hatte einen merkwürdigen Gelbstich.
    »Bockmist«, wiederholte er. »Du musst weg, ehe es hier noch schlimmer wird. Sofort, Rick. Verdammt noch mal, ich bin einfach zu alt, um mitzukommen. Einen alten Baum wie mich verpflanzt man nicht mehr. Aber einen jungen Baum ... Wenn man einen jungen Baum verpflanzt, wird er wieder ausschlagen und neue Blätter tragen. Weißt du, was ich damit meine?«
    Ich verstand ihn. »Werd’s mir überlegen.«
    Bill sah so aus, als wollte er mir die Leviten lesen, doch dann nahm ihm ein Hustenanfall den Wind aus den Segeln. Die Zigarette entglitt seinen Fingern und er klammerte sich an der Arbeitsplatte der Küche fest.
    Ich sprang auf. »Bill ...«
    Er winkte ab. »Ist nichts Schlimmes, nur das Alter. Hab einfach zu viele
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