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Verschwörungsmelange

Verschwörungsmelange

Titel: Verschwörungsmelange
Autoren: Hermann Bauer
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plötzlich grimmig. »Du hast nichts
getan, worüber sich Eltern oder sonst wer beschweren könnten?«
    »Ach!« Ehrentraut machte eine wegwerfende Handbewegung. »Ich
weiß schon, was du meinst. Das war ein Spaß, ein einmaliger Spaß. Darüber regt
sich doch niemand auf. Im Gegenteil, das war cool.«
    »Wenn du meinst. Aber ich möchte diesen Job als
Nachwuchsleiter, hörst du?«
    Sie sahen einander fest in die Augen.
    »Morgen kommt Brown und schaut sich alles hier ein wenig
genauer an«, erwähnte Ehrentraut. »Da kannst du ja versuchen, dich beliebt bei
ihm zu machen. Was allerdings meine Fürsprache betrifft …«
    »Ich möchte diesen Job«, wiederholte Moser. »Und denk einmal
daran, was aus uns wird, wenn wir beginnen, plötzlich gegeneinander zu
arbeiten.«
    Ehrentraut blies kleine Wölkchen in den Himmel, dann drehte
er sich um und marschierte langsam in Richtung des Hauptspielfeldes, wo jetzt
auch die Kampfmannschaft ihr Training aufgenommen hatte.
    »Harry Leitner ist wieder in Wien«, rief Moser ihm nach.
»Nicht, dass ich vergessen hätte, es dir zu sagen.«

     
    *

     
    Wolfgang
Ehrentraut lenkte seine Schritte zu seinem Lieblingsplatz schräg hinter dem Tor
unterhalb der Matchuhr. Schon als Kind, bei seinen ersten Besuchen der
Eintracht-Spiele, hatte es ihn immer hierher gezogen, das heißt, damals war er
ganz unten am Spielfeldrand gestanden, weil ihm dort niemand die Sicht
verstellen hatte können. Nach und nach war er weiter nach oben gewandert, bis
an den Rand der Böschung. Und mit der Zeit hatte er dann begonnen, sich
einzureden, dass dieser Ort ihm gehörte, ihm ganz allein, dieser Fleck, auf den
von morgens bis abends die Sonne schien, und von dem aus man das Spielfeld wie
von einem Feldherrnhügel überblicken konnte. Wenn ein Heimmatch gut besucht war
und sich auch hier die Leute drängten, war es ihm, als wolle man ihn
vertreiben, und die Eifersucht packte ihn. Aber jetzt, unter der Woche, konnte
er sich ungestört hierher zurückziehen, um seinen Gedanken nachzugehen.
    Er schaute den Spielern der Kampfmannschaft zu, die unten
munter und locker mit ihrem Training begonnen hatten. Wie lange würde das so
weitergehen? Zwei, drei Wochen vielleicht. Dann war Schluss, endgültig Schluss.
Er würde sich einen neuen Fleck auf einem anderen Fußballplatz suchen müssen.
Nur mehr der Nachwuchs würde eine Zeitlang hier trainieren und spielen, bis
auch das vorbei war. Der Platz würde verwildern, und eines Tages würden die
Bagger und Planierraupen kommen und den finalen Schlussstrich ziehen.
    Niemand sollte sagen, dass ihm, Wolfgang Ehrentraut, das
nicht in der Seele weh tat, ihm, der mit diesem Verein von Kindheit an mit nur
wenigen Unterbrechungen immer verbunden gewesen war, als Spieler, als Trainer
und jetzt als Obmann. Aber durfte man deswegen einer neuen Entwicklung im Weg
stehen, die für alle, vor allem für ihn, das Beste war? Nein, Gefühlsduseleien
waren hier fehl am Platz.
    Floridsdorf würde das erste Mal seit der unseligen
Abwanderung der ›Admira‹ [7] aus dem
Bezirksteil Jedlesee in die Südstadt im Jahr 1967 einen Großklub haben, der in
ein bis zwei Jahren den Aufstieg zumindest in die 2. Bundesliga schaffen
konnte. Ein neues, supermodernes Stadion würde entstehen. Er selbst würde die
Geschicke dieses Vereines, des ›1. FC Floridsdorf‹, lenken. Joe Brown würde
zwar Präsident sein und mit seinen Millionen alles möglich machen, auch im
Mittelpunkt der Medienberichte zu stehen. Aber wie oft würde es ihn nach Wien
verschlagen? Er hatte seine Firma BBF in Kanada, seine Familie und ein Haus
samt Riesengrundstück. Es musste hier vor Ort jemanden geben, auf den er sich
verlassen konnte, und dieser Jemand würde er sein. Ehrentraut würde,
ausgestattet mit dem hübschen Titel ›Manager‹, alle Fäden ziehen und weit mehr
verdienen als bei seinem jetzigen Job als Prokurist einer Werkzeugfirma. Das
war praktisch fix. Und es war gut so.
    Er blickte gegen die tiefer werdende Abendsonne
auf das Spielfeld. Es überkam ihn jetzt öfter so etwas wie Wehmut, eine
Schwäche, die er bekämpfen musste. Was war sie denn anderes als eine
Selbstverliebtheit der Seele, die letztendlich Schuld daran trug, wenn alles auf
der Stelle trat?
    Mitten in seine Gedanken hinein läutete sein Handy. Es war
seine Frau.
    »Hallo, Betty?«
    »Hallo! Ich wollte dir nur sagen, dass ich heute Abend nicht
zu Hause bin und morgen ziemlich sicher auch nicht.
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