Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Verschwörungsmelange

Verschwörungsmelange

Titel: Verschwörungsmelange
Autoren: Hermann Bauer
Vom Netzwerk:
Sie würden nie auf den Gedanken kommen, einen Mord zu begehen.
    Und das war es, was Leopold in Wahrheit fehlte. Schon lange
war in seiner näheren Umgebung kein kapitales Verbrechen mehr geschehen. Wo
waren die eifersüchtigen Eheleute, die geldgierigen Verwandten, die
Unterdrücker und die Unterdrückten, die Aggressiven und die Depressiven, die
Betrogenen und die Betrüger? Wo waren sie geblieben? Hatte das bisschen Sonne,
das jetzt vom Himmel strahlte und Wärme spendete, sie etwa alle geläutert?
    Leopold schüttelte den Kopf. Nein, natürlich nicht. Das wahre
Verbrechen war nicht einmal durch das schönste Wetter aufzuhalten. Irgendwann,
wahrscheinlich schon demnächst, würde irgendwo wieder etwas passieren. Man
musste nur Geduld haben und darauf warten. Dass er körperlich angeschlagen war,
zeigte Leopold nur, wie sehr er sich danach sehnte, vor seinen Augen wieder
einmal einen Toten liegen zu haben. Er wusste ja schon gar nicht mehr, wie eine
Leiche aussah. Ein Mord musste her, und zwar rasch, dann würde es auch mit ihm
schnell wieder bergauf gehen.

     

2
    Am selben Abend tummelten sich etwa 14, 15
Burschen der U-15-Mannschaft auf dem Trainingsplatz des FC Eintracht
Floridsdorf. Von links und rechts wurden abwechselnd Flanken zum Elfmeterpunkt
gezirkelt, wo ein Spieler nach dem anderen versuchen musste, den Ball volley am
Tormann vorbei ins Netz zu schießen. Dazu kamen lautstarke Anweisungen mit der
heiseren Stimme des Jugendtrainers Robert Moser: »Mit links schießen – los,
trau dich doch – Versager – sofort noch einmal – schärfer, die Flanke – mehr
Bewegung, ihr Nichtsnutze.«
    Einem der Burschen schien es zu reichen. Nachdem er den Ball
um einige Meter neben das Tor gesetzt hatte, trabte er lustlos in Richtung
Kabine.
    »Zurück!«, schrie Moser.
    Der Bursche tat, als hörte er nicht.
    »Komm sofort zurück!«, schrie Moser erneut und begleitete
sein Gebrüll mit dem schrillen Ton seiner Trillerpfeife.
    Der Bursche drehte sich um. Er sah Moser wie einen gereizten
Stier auf sich zugerannt kommen und blieb stehen. Moser pfauchte ihn an: »Was
soll das? Willst du mich verarschen?«
    Der Bub stemmte beide Hände in seine Hüften, versuchte,
lässig dazustehen. »Wie lange soll das Training denn heute noch dauern?«,
fragte er. »Wir hören doch sonst nicht so spät auf. Die Nächsten warten schon
auf den Platz.«
    Er war mit seinen 14 Jahren schon größer als der stämmige
Moser. Aber Moser wirkte bedrohlich wie ein Vulkan, der vor dem Ausbruch stand.
Seine Augen funkelten. Er machte kein Hehl daraus, dass es ihn nicht stören
würde, die Beherrschung ganz zu verlieren und dem frechen Burschen eine kleine
Abreibung zu verpassen. »Wann ist ein Spiel zu Ende?«, wollte er wissen.
    »Was … was meinen Sie?«
    Moser packte sein Gegenüber am Leiberl. »Ist die Frage so
schwer? Wann ein Fußballspiel zu Ende ist, will ich wissen!«
    »Wenn der Schiedsrichter abpfeift«, sagte der Bursche jetzt
kleinlaut.
    »Eben. Das habt ihr ja gestern wieder einmal total
vergessen und in der letzten Minute ein Tor kassiert. So, und jetzt merk dir
eins, Bürscherl, und alle anderen hier ebenso: Das Training ist erst dann zu
Ende, wenn ich, euer Trainer Robert Moser, sage, dass es zu Ende ist.
Verstanden?«
    Der Bursche nickte mit zu Boden gesenkten Augen. Moser ließ
ihn wieder los.
    »Ob ihr verstanden habt«, brüllte er über den ganzen Platz.
    Betretenes Schweigen.
    »Ich glaube, die meisten von euch wissen immer noch nicht,
worum es geht«, legte Moser jetzt los. »Die Anweisungen eures Trainers sind zu
befolgen – zu be-fol-gen – und nicht zu ignorieren wie gestern oder gerade
eben erst. Und Fußball ist ein Bewegungssport – Be-we-gungs-sport –, bei dem
man nicht herumsteht und dumm glotzt. Damit ihr euch das ein für alle Mal
merkt, werdet ihr ein paar Runden um den Platz laufen, ihr Lahmärsche. Los,
alles aufstellen am Seitenrand bei der Mittellinie.«
    Lustlos trabten die jugendlichen Fußballer dorthin. Ebenso
lustlos liefen sie los, erst langsam, dann auf Geheiß ihres Trainers immer
schneller. Moser zog derweil im Inneren des Spielfelds seine Kreise und
brüllte: »Los, los, keine Müdigkeit vorschützen!«
    In der Zwischenzeit hatte die U-19-Mannschaft mit
dem Training begonnen. Einige machten sich den Spaß und schoben einander die
Bälle so zu, dass sie millimetergenau an Mosers Beinen vorbeiliefen. Er achtete
nicht darauf. Es war ihm
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher