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Verschwörung in Florenz

Verschwörung in Florenz

Titel: Verschwörung in Florenz
Autoren: Franziska Wulf
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Dann gebe man auf ein Maß des Suds fünf Maß guten alten Rotweines und mische beides wieder sorgfältig. Das fertige Elixier wird anschließend in kleine Phiolen abgefüllt. Tropfenweise eingenommen, vermag es den Magicus in die Lage zu versetzen, die Vergangenheit und somit die Wurzel aller Dinge zu schauen, wobei der Körper im Hier und Jetzt in einem dem gewöhnlichen Schlafe ähnlichen Zustand verbleibt. In höherer Konzentration erlaubt es sogar eine körperliche Präsenz in anderen Zeiten. Doch hierbei ist durchaus Vorsicht geboten, denn mit der Zeit tritt eine Gewöhnung ein. Höhere Dosen zum Erreichen der erwünschten Wirkung des Elixiers werden notwendig. Daher empfehle ich, nicht von der von mir beschriebenen Zubereitung abzuweichen. Außerdem ist zu bedenken, dass …«
    »Warum liest du nicht weiter?«, fragte Giacomo ungeduldig.
    Cosimo schüttelte den Kopf. »Ich kann nicht. Es geht nicht weiter. An dieser Stelle bricht der Text ab.« Ratlos drehte er das Pergament um, als könnte ihm die Rückseite mehr verraten. Doch sie war leer. »Vermutlich gehörte ursprünglich noch eine zweite Seite dazu. Sie muss verloren gegangen sein.«
    Gemeinsam starrten sie nochmals auf die Zeilen, die sie in so mühevoller Arbeit entschlüsselt hatten.
    »Vielleicht sollten wir erneut die Hexe aufsuchen und sie nach der fehlenden Seite befragen?«
    »Wie denn, Giacomo? Sie hat doch schon vor zwei Tagen Florenz verlassen. Und wir wissen nicht einmal, wohin sie wollte. Wir würden Wochen, wenn nicht gar Monate brauchen, um sie zu finden.«
    »Na, ist ja auch gleich«, sagte Giacomo nach einer Weile und zuckte mit den Schultern. »Hauptsache ist doch, dass wir alle Zutaten kennen, die notwendig sind. Cosimo, ich kann es kaum abwarten, von dem Elixier zu kosten. Die Vergangenheit … Glaubst du, wir bekommen alle Zutaten zusammen?«
    Cosimo überflog die lange Liste.
    »Salbei, Thymian, Wacholder … Wenig davon ist ungewöhnlich oder schwer zu beschaffen. Ich denke schon. Wir müssen allerdings noch die Maßeinheiten umrechnen. Bei den meisten im Rezept verwendeten handelt es sich offensichtlich um griechische oder römische Mengenangaben, die heute nicht mehr verwendet werden. Aber das sollte das geringste Problem sein.« Er sah Giacomo an. »Du besorgst die eine Hälfte der Zutaten, ich die andere. Und morgen Nacht, nachdem der Nachtwächter seinen letzten Rundgang gemacht hat, treffen wir uns in der Apotheke von Luciano de Spalla wieder.«
    Kurz nach Mitternacht öffnete Cosimo seinem Freund die Hintertür, die zum Haus des Apothekers Luciano de Spalla führte. Giacomo trug einen Sack über der Schulter, unter dessen Gewicht er ächzte und stöhnte, als wäre er mit Kieselsteinen anstatt mit Kräutern gefüllt.
    »Hast du alles bekommen?«, fragte Cosimo.
    »Ja«, antwortete Giacomo und drückte Cosimo den Sack in die Hand. »Es war aber wider Erwarten nicht ganz leicht. Vor allem nach den Venusmuscheln musste ich lange suchen. Erst bei einem Fischhändler hatte ich endlich Erfolg.«
    »Gottlob, dann haben wir die Zutaten beisammen. Komm, wir gehen ins Laboratorium.«
    Cosimo schulterte den Sack und stieg eine schmale, wacklig aussehende Treppe hinunter, die in ein niedriges, düster wirkendes Kellergewölbe führte. Der Boden bestand aus festgestampftem Lehm, die Mauern aus Ziegeln, die Alter und Ruß schwarz gefärbt hatten. Zwei Fackeln, deren zuckender Schein nur wenig Licht spendete, steckten in Haltern an den Wänden. Anders als in anderen Kellergewölben war das Mauerwerk frei von Feuchtigkeit und Schimmel. Selbst der Boden machte einen trockenen und überraschend sauberen Eindruck, so als würden die großen Steinfliesen täglich gefegt. Und trotzdem schwebte ein seltsamer unangenehm beißender Geruch in der Luft, der an Fäulnis und Verwesung erinnerte.
    »So, hier ist es«, sagte Cosimo und stieß eine schwere eisenbeschlagene Tür auf. Die beiden Freunde standen in einem Vorratsraum. Vor ihnen auf Regalen, die vom Boden bis zur niedrigen Decke reichten, stapelten sich Säcke mit Mehl und getrockneten Früchten ordentlich übereinander, Krüge mit Öl standen nebeneinander aufgereiht, unter mit Salzwasser getränkten Tüchern lagen mehrere Käselaibe von unterschiedlicher Größe, und von der Decke baumelten Würste und zwei herrliche Schinken. Cosimo stellte den Sack ab und schob ein Regal zur Seite, auf dem Gläser und Krüge mit in Essig und Öl eingelegten Oliven, Pilzen und anderem Gemüse aufbewahrt
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