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Verschwörung in Florenz

Verschwörung in Florenz

Titel: Verschwörung in Florenz
Autoren: Franziska Wulf
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Tuch gefertigt, dessen Farbe mit den Steinen des Marktplatzes und den Häusern im Hintergrund verschmolz, als wollte es sich verbergen. Man hätte es ohne weiteres übersehen und achtlos an ihm vorübergehen können, wenn nicht die zahlreichen jungen Mädchen und Burschen gewesen wären. Sie schlichen verstohlen aus allen Richtungen hierher und warteten mehr oder weniger geduldig vor dem mit losen Stoffbahnen verhängten Eingang.
    Auch Cosimo und Giacomo stellten sich in die Reihe der Wartenden. Sie hatten sich als arme Schustergesellen verkleidet und fielen folglich unter den anderen jungen Männern kaum auf. Trotzdem versuchte Cosimo sich den Anschein zu geben, als hätte ihn lediglich der Zufall in diese Gegend verschlagen und er hätte sich nur aus Langeweile zu seinem Freund gesellt. Die wissenden Blicke der Vorübergehenden ließen ihn bis unter die Haarwurzeln erröten. Sie erweckten den Eindruck, dass jeder Mann und jede Frau in Florenz ganz genau wusste, weshalb er hier stand. Es war eine uralte Tradition. Seit hunderten von Jahren gingen junge Mädchen und Burschen am Markttag zu der Hexe, um sich das Gesicht der oder des Zukünftigen zeigen oder einen Liebeszauber geben zu lassen. Und in so manchem wehmütigen oder amüsierten Lächeln, das Cosimo auffing, schwang die Erinnerung an eigene Erfahrungen mit. Die Anwesenheit der Hexe auf dem Markt wurde von dem Klerus der Stadt natürlich nicht gerade gern gesehen. Doch für gewöhnlich blickte der Bischof voller Gnade und Verständnis darüber hinweg. Die Hexe gehörte seit alters her ebenso zum Markt wie die Gaukler mit ihren Kunststücken. Und doch hatte Cosimo den Verdacht, dass sich mindestens hinter einem der Händler hier in der näheren Umgebung in Wahrheit ein Diener des Bischofs verbarg, der das kleine Zelt und seine Besucher nicht aus den Augen ließ.
    Die beiden jungen Mädchen, die vor ihm in der Reihe warteten, kicherten und tuschelten miteinander. Ihrer einfachen, mehrfach geflickten Kleidung und den Hauben auf ihren Köpfen nach zu urteilen waren es Küchenmägde. Die eine hatte unreine, pickelige Haut und schielte ein wenig. Die andere hingegen war recht hübsch. Sie lächelte Cosimo schüchtern zu, und verwirrt wandte er den Blick ab. Hätte das Mädchen geahnt, wer in der geflickten, armseligen Kleidung des Schustergesellen steckte, sie hätte sich ihm ohne Zweifel nur mit gesenktem Blick genähert.
    »Der alte Stallknecht im Haus meines Onkels hat mir erzählt, dass schon sein Vater die alte Arianna um Rat gefragt hat. Ihr Zauber soll wirklich sehr stark sein«, flüsterte Giacomo ihm zu. »Wollen wir die Kräuter gleich ausprobieren, wenn wir hier fertig sind? Welche von den beiden willst du haben?«
    Er stieß Cosimo in die Seite und grinste. Natürlich, dafür waren sie schließlich hergekommen. Sie wollten mit Hilfe der Zauberkräfte die Herzen der Mädchen betören. Allerdings hatte Cosimo dabei nicht gerade an eine schielende, pickelige Küchenmagd gedacht. Nein, er hatte eher Chiara de Pitti mit ihren langen dunkelbraunen Locken oder Giulia aus dem vornehmen Bankiershaus der Bizzi, die so sanfte, wunderschöne Augen hatte, im Sinn. Oder Giovanna de Pazzi, Giacomos Halbschwester – auch wenn er das aus nahe liegenden Gründen vor seinem Freund niemals zugegeben hätte.
    Die beiden Mädchen verschwanden im Zelt der Hexe. Cosimo wurde allmählich nervös. Seine Hände begannen zu zittern, und immer wieder musste er sie an den Beinkleidern abwischen, weil sie plötzlich so feucht waren wie bei seinem Vetter Bernardo mit dem käsigen Gesicht und den hervorstehenden Augen, über den sie sich oft lustig machten. Wenn er nur wüsste, was ihn im Inneren des Zeltes erwartete. Obwohl es eigentlich nicht seine Art war, lauschte er, um wenigstens ein Wort oder ein Geräusch aufzufangen. Doch er hörte nichts. Rein gar nichts. Weder die Stimmen der Mädchen noch eine andere Stimme, noch irgendwelche geheimnisvollen Laute oder Gesänge. Das kleine unscheinbare Zelt mit seinem dichten Vorhang schien die beiden Mägde – und jedes Lebenszeichen von ihnen – förmlich verschluckt zu haben.
    Cosimo war so vertieft in düstere Fantasien, in denen er sich das Schicksal der beiden Mädchen ausmalte, dass er vor Schreck zusammenfuhr, als sich der Vorhang plötzlich öffnete und die beiden wieder heraustraten. Sie lachten und unterhielten sich und sahen kaum anders aus als zuvor. Vielleicht waren ihre Wangen ein wenig gerötet, aber das war auch
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