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Verschlüsselte Wahrheit - Inspektor Rebus 05

Verschlüsselte Wahrheit - Inspektor Rebus 05

Titel: Verschlüsselte Wahrheit - Inspektor Rebus 05
Autoren: Ian Rankin
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Straßenlaterne — auf der Rattanmatte vor der Wohnungstür stand. Es war seine Tasche. Er zog den Reißverschluss auf und sah hinein. Auf einigen Kleidungsstücken und einem Paar Schuhe lag ein Zettel. Er las ihn zweimal.
    Du brauchst es gar nicht erst an der Tür zu versuchen, ich hab den Riegel vorgeschoben. Ich hab außerdem die Klingel abgestellt, und der Telefonhörer liegt das ganze Wochenende neben dem Telefon. Ich stell dir am Montagmorgen eine weitere Landung von deinem Kram an die Treppe.
    Diese Nachricht brauchte keine Unterschrift. Rebus stieß einen tiefen Seufzer aus, dann steckte er seinen Schlüssel ins Schloss. Er ließ sich nicht drehen. Er drückte auf die Klingel. Kein Ton. Zuletzt bückte er sich und linste durch den Briefschlitz. Der Flur lag im Dunkeln, und auch aus keinem der Zimmer drang Licht.
    »Mir ist was dazwischengekommen«, rief er. Keine Antwort. »Ich hab versucht anzurufen, bin aber nicht durchgekommen.« Immer noch nichts. Er wartete noch eine Weile und hoffte, dass zumindest Jenny das Schweigen brechen würde. Oder Susan, sie war doch so eine richtige kleine Unruhestifterin. Und außerdem eine Herzensbrecherin, so wie sie aussah. »Wiedersehen, Patience!«, rief er. »Wiedersehen, Susan. Wiedersehen, Jenny.« Schweigen. »Es tut mir Leid.«
    Und das war auch so.
    »Mal wieder eine von diesen Wochen«, murmelte er vor sich hin und nahm die Tasche.
    Am Sonntagmorgen kam Andrew McPhail bei fahlem Sonnenschein und eisigem Wind klammheimlich nach Edinburgh zurück. Er war lange fort gewesen, und die Stadt hatte sich verändert. Alles hatte sich verändert, überall. Obwohl er bereits seit ein paar Tagen zurück war, litt er immer noch unter Jetlag, und aufgrund der überhöhten Preise in London war er ärmer, als er eigentlich hätte sein sollen. Er ging zu Fuß vom Busbahnhof in den Stadtteil Broughton, ganz in der Nähe des Leith Walk. Obwohl es kein weiter Weg war und er nicht viel Gepäck hatte, fiel ihm jeder Schritt schwerer. Im Bus hatte er schlecht geschlafen, doch das war nichts Neues. Er konnte sich gar nicht erinnern, wann er das letzte Mal so richtig gut geschlafen hatte, traumlos.
    Die Sonne sah aus, als ob sie jeden Augenblick verschwinden könnte. Dichte Wolken zogen über Leith herein. McPhail bemühte sich, schneller zu gehen. Er hatte eine Adresse in der Tasche, die einer Pension. Am Abend zuvor hatte er dort angerufen, und seine Vermieterin erwartete ihn. Sie klang nett am Telefon, doch war ihm das letztlich egal, solange sie nur den Mund hielt. Er wusste, dass seine Ausreise aus Kanada in den kanadischen Zeitungen gestanden hatte, sogar in einigen amerikanischen, und er hatte angenommen, dass die Journalisten hier auf der Suche nach einer Geschichte hinter ihm her sein würden. Es hatte ihn überrascht, dass er völlig unbemerkt in Heathrow aussteigen konnte. Niemand schien zu wissen, wer er war, und das war gut so.
    Er wünschte sich nichts weiter als ein ruhiges Leben, wenn auch vielleicht nicht ganz so ruhig wie die letzten Jahre.
    Er hatte seine Schwester von London aus angerufen und sie gebeten, sich bei der Auskunft nach einer Mrs MacKenzie im Belevue-Viertel zu erkundigen. (Die Auskunft in London hatte sich nicht als besonders hilfsbereit erwiesen.) Melanie und ihre Mutter hatten bei Mrs MacKenzie gewohnt, als er sie kennen lernte, bevor sie zusammenzogen. Alexis war allein erziehende Mutter, ein Fall fürs Sozialamt. Mrs MacKenzie war verständnisvoller gewesen als die meisten Vermieter. Nicht dass er Melanie und ihre Mum je dort besucht hätte — das hätte Mrs MacKenzie nicht behagt.
    Heutzutage nahm sie nur noch selten Pensionsgäste auf, doch sie war eine gute Christin, und McPhail war sehr überzeugend gewesen.
    Nun stand er vor dem Haus. Es war ein schlichtes, zweistöckiges Gebäude mit grauem Rauputz und hässlichen Doppelfenstern. Es sah genauso aus wie die Häuser rechts und links von ihm. Mrs MacKenzie öffnete die Tür, als hätte sie schon länger auf ihn gewartet. Sie machte sich umständlich in Wohnzimmer und Küche zu schaffen, dann führte sie ihn die Treppe hinauf, um ihm das Bad und schließlich sein eigenes Zimmer zu zeigen. Es war nicht größer als eine Gefängniszelle, aber nett eingerichtet (irgendwann Mitte der sechziger Jahre, nahm er an) und soweit ganz in Ordnung. Er hatte nichts daran auszusetzen.
    »Es ist sehr schön«, erklärte er Mrs MacKenzie, die mit den Schultern zuckte, als wollte sie sagen, natürlich ist es
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