Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Verrückte Zeit

Verrückte Zeit

Titel: Verrückte Zeit
Autoren: Kate Wilhelm
Vom Netzwerk:
aussah wie eine wiederbelebte Leiche, fühlte sich offensichtlich nicht recht wohl in seiner Haut. Er wich ihrem Blick aus. Mit energischen Schritten ging sie auf die Tür zum Vorzimmer zu.
    »Ich gehe nach Hause.«
    »Gute Idee«, sagte einer von ihnen. Sie drehte sich nicht um, um zu sehen, wer es war. »Schlafen Sie’s erst mal aus. Morgen geht es Ihnen wieder besser.«
    Sie wollte die Tür zuschlagen, doch der farbige Kriminalbeamte hielt sie fest und folgte ihr ins Vorzimmer. Peter eilte ihr entgegen, um ihre Hände zu ergreifen und ihr aus der Nähe forschend ins Gesicht zu sehen.
    »Meine liebe Lauren, wie entsetzlich für Sie …«
    »Sie können jetzt alle nach Hause gehen«, sagte der Kriminalbeamte. »Benutzen Sie bitte die Aufzüge auf der anderen Seite des Gebäudes, wenn Sie so gut sein wollen. Nur zur Vervollständigung unseres Berichts werden wir die Büros auf dieser Seite durchsuchen, um herauszufinden, ob sich Dr. Steeles Freund vielleicht in einem davon versteckt hält.«
    Lauren drehte sich um und starrte ihn an; er grinste und schüttelte den Kopf wie in stiller Bewunderung.
    »Ihr Freund?« schrie Rich Steinman. »Sie kennen ihn? Wer ist das? Warum hat er das getan? Wie hat er es getan? Lauren, soll das ein Scherz sein? Mein Gott, Edith wird mich umbringen!« Er rannte hinaus.
    Warren Foley blickte sie eindringlich mit ungläubigem Gesicht an. »Das haben Sie uns angetan? Ihren Kollegen? Warum? Haben wir Sie irgendwie verletzt? Wollen Sie damit auf irgend etwas aufmerksam machen?«
    Peter ließ sein wundervolles melodisches Lachen vernehmen. Sobald er sprechen konnte, sagte er: »Lauren, Lauren, Lauren! Ein Scherz! Sie haben uns also endlich einen Streich gespielt! Ich hatte mir schon Sorgen Ihretwegen gemacht, meine liebe Lauren. Wirklich ernsthafte Sorgen. Und jetzt spielen sie uns einen so herrlichen Streich! Sie sind ein Wunder, meine liebe Lauren, ein Wunder! So, nun wollen wir alle nach Hause gehen und uns von dem Schreck erholen. Unsere liebe Lauren hat sich uns jetzt endlich mit ganzem Herzen angeschlossen, hat uns allen den Narrenspiegel vorgehalten, hat uns Tiefen eröffnet, von denen wir bisher nur eine Ahnung hatten. Jetzt sind wir wahrhaft eine geeinte glückliche Familie, Kollegen, die durch dick und dünn zusammen gehen …«
    Lauren riß ihren Mantel vom Haken und floh. Im Flur lehnte ein uniformierter Polizist lässig an der Wand und schickte sie mit einer Handbewegung zum Aufzugschacht auf der anderen Seite des Gebäudes. Sie rannte, entschlossen, nicht zu weinen, nichts zu zertrümmern, nicht zu kreischen oder zu brüllen und niemanden umzubringen.
     
    In Peters Büro warfen sich Trigger Happy und Bill Bentson vielsagende Blicke zu. Bentson machte sich Sorgen; Trigger Happy empfand nur Genugtuung. Er hatte genau vorausgesehen, wie die Sache laufen würde, doch in diesem Fall hatte es sich so perfekt abgespielt, wie es nur menschenmöglich war. Er hatte damit gerechnet, daß hier alle so plemplem wären wie für eine Klapsmühle üblich, und sie hatten ihn nicht enttäuscht. Jetzt konnte die Arbeit im Flur fortgesetzt werden, das Fenster herausgenommen, der Teppichboden hochgehoben …

 
DRITTES KAPITEL
     
     
    Lauren hatte nicht geschlafen, und es regnete immer noch, als sie am nächsten Morgen das Gebäude, in dem sie ihr Apartment hatte, verließ. Sie fühlte sich ausgestoßen, abgeschoben, nicht der Szene all der Leute um sie herum zugehörig, die einem neuen Tagewerk und einem neuen Gehalt entgegeneilten. Sie lief durch den Regen wie eine automatisch gesteuerte Puppe. Der Aufzug im Allgemeinen Dienstleistungs-Zentrum war voll, wie jeden Morgen zwischen acht und neun. Sie blickte starr geradeaus.
    In ihrem Stock bewegte sie sich mit zwei oder drei anderen in die Richtung, in der ihr Büro lag. Dann hielt sie inne, und die anderen gingen an ihr vorbei. Sie betrachtete den Boden, den beigefarbenen Teppichboden. Er sah nagelneu aus, keine Spuren der Abnutzung, keine Feuer- oder Rauchschäden. Langsamer denn je setzte sie ihren Weg zum Gebäudekomplex der Waycross-Klinik fort.
    Rich und Warren wichen schnell auseinander, als sie den Empfangsraum betrat. Rich hastete davon und verschwand in seinem Büro, als ob er Angst hätte, sie könnte sich auf ihn stürzen oder ihn in eine geheimnisvolle blaue Wolke hüllen. Warren kam ihr tapfer entgegen, in der Hand hielt er einen Klemmblock.
    »Ach, Lauren, genau Sie habe ich gesucht. Ich brauche unbedingt Ihre Hilfe, Lauren,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher