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Verraten

Verraten

Titel: Verraten
Autoren: Esther Verhoef , Berry Escober
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gesichert war, und steckte sie ein.
    Die Männer regten sich nicht. Er streifte seinen Rucksack ab und stellte ihn auf den Tisch. Ließ die beiden Männer nicht aus den Augen. Packte mit der freien Hand alle Banknoten ein, die sich in Reichweite befanden. Noch immer hatten sich die beiden Russen nicht gemuckst. Sie lagen flach auf dem Boden, die Gesichter von ihm abgewandt. Wahrscheinlich rechneten sie damit, jeden Moment eine Kugel abzukriegen. Er zog den Rucksack zu. Steckte die Arme einen nach dem anderen durch die Tragriemen.
    Er war noch lange nicht fertig. Jetzt kam der schwierigste Teil. Reinzukommen war eine Sache, mit heiler Haut wieder rauszukommen eine ganz andere. Einfach umdrehen und weglaufen konnte er vergessen. Es gab hier garantiert noch weitere Waffen. Er hätte sie alle einfordern können, aber dabei hätten die beiden mit Sicherheit einen Riesenzirkus veranstaltet. Und je mehr Zeit verstrich, desto größer war die Gefahr, dass er die Situation falsch einschätzte und Fehler beging.
    Dann eben die harte Tour, beschloss er spontan. Die beiden waren Scheißkerle. Sie konnten ihm egal sein. Er richtete die HK nach unten und schoss dem jüngeren Mann ins Bein. In dem geschlossenen Raum löste der Schuss eine größere Wirkung aus, als er gedacht hatte. Süßlicher Geruch nach Eisen, Blutgeruch. Pulverdampf. Ihm sausten die Ohren. Das einsetzende Geschrei ging ihm durch Mark und Bein. Gerade wollte er dem zweiten Mann dieselbe Behandlung verpassen und zielte bereits, als er aus den Augenwinkeln heraus sah, dass der junge Mann eine Waffe in der Hand hielt. Für eine halbe Sekunde zeigte die Mündung auf ihn. In einem Reflex riss er die HK herum und drückte den Abzug. Durch die Wucht des Einschlags bäumte sich der Oberkörper des Mannes auf. Wo der Hinterkopf des Russen gewesen war, sah man nur noch eine klebrige Masse aus Haar und Fleisch. Der ältere Mann machte Anstalten sich umzudrehen. Rasch zielte er und schoss erneut, diesmal tiefer. Das.45er Geschoss bohrte sich in den Oberschenkel des Mannes. Er schrie und fluchte. Das würde ihn jedenfalls für eine Weile schachmatt setzen.
    Überall war Blut. Er wollte nur noch weg.
    Wie vom Teufel gehetzt rannte er aus dem Büro hinaus, die Treppe hinunter und zur Tür, wobei er jede nur mögliche Deckung nutzte. Als er die Halle zur Hälfte durchquert hatte, krachte ein Schuss, dessen Echo durch den Raum hallte. Das Geschoss schlug ein Loch in einen großen Sack mit Styropor-Verpackungsmaterial, keinen Meter von ihm entfernt. Die Stückchen flogen ihm um die Ohren und raubten ihm für einen Moment die Sicht. Zeit, sich umzuschauen, hatte er nicht. Fluchend rannte er weiter, bis er die Ausgangstür fast erreicht hatte. Nochmals wurde ein Schuss abgefeuert, ziemlich ungezielt, denn die Kugel schlug etwa fünf Meter von ihm entfernt ein. Das konnte bedeuten, dass sich der Abstand zwischen ihm und dem Schützen allmählich vergrößerte.
    Bei der BMW-Karosserie hielt er inne und duckte sich. Blickte zur Tür. Auf den letzten Metern gab es keinerlei Deckung. Er schaute sich kurz um, lange genug, um zu erkennen, dass der ältere Mann bäuchlings auf der Balustrade lag und gerade seine Waffe nachlud. Er ging in die Hocke, stützte den Arm auf der Motorhaube ab, zielte und drückte ab. Der Mann rollte sich zur Seite und die Kugel durchschlug eines der Bürofenster. Das zersplitternde Glas verursachte einen Höllenlärm, prasselte von der Balustrade hinunter in die Halle. Der Mann war nicht mehr zu sehen. Er feuerte noch ein paarmal und traf dabei die Bürotür und einen Teil der Balustrade. Er lief los und gab sich selbst Deckung, indem er mit einer Hand weiterschoss.
    Im nächsten Moment atmete er die ersehnte frische Luft durch seine feuchte Sturmhaube hindurch ein. Er rannte zur Rückseite des Gebäudes, erreichte sein Motorrad, drehte den Zündschlüssel, drückte den Starterknopf und fuhr vorsichtig, um auf den Betonplatten nicht wegzurutschen, in die Nacht hinein.
    Bis sich der Mann zum Ausgang geschleppt hatte, war er schon kilometerweit weg, sechshundert Fünfzig-Euro-Scheine sicher verstaut in seinem Rucksack.
     

3
     
    »Du wirst nicht jünger«, flüsterte Alice ihrem Spiegelbild zu. Sie beugte sich über das Waschbecken, um ihre Haut besser begutachten zu können. In der unbarmherzigen Toilettenbeleuchtung wirkte der Teint ihres klassisch geschnittenen Gesichts mit der dünnen Haut, die sich über die Jochbeine spannte, äußerst ungesund auf
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