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Verrat in Paris

Verrat in Paris

Titel: Verrat in Paris
Autoren: Tess Gerritsen
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Inklusive seiner Aufnahmefähigkeit für Alkohol.« Sie lächelte Beryl an. »Ich hoffe, er hat dich nicht zu sehr gelangweilt.«
    »Überhaupt nicht. Wir haben über Mutter geredet. Er sagte, ich erinnere ihn an sie.«
    Helena nickte. »Ja, du siehst ihr wirklich sehr ähnlich. Natürlich kannte ich sie nicht so gut wie Reggie.« Sie setzte sich auf die Armlehne des Sessels. »Ich weiß noch, als ich sie das erste Mal getroffen habe. Es war auf unserer Hochzeit. Madeline und Bernard waren da, selbst gerade frisch verheiratet. Man sah ihnen an, dass sie ein glückliches Paar waren …« Helena nahm Reggies Kognakschwenker und wischte den Tisch ab. »Als wir uns fünfzehn Jahre später in Paris wiedertrafen, war sie kein bisschen älter geworden. Es war schon beinahe beängstigend, wie wenig sie sich verändert hatte, während die vergangenen Jahre bei allen anderen ihre Spuren hinterlassen hatten.«
    Es folgte eine lange Pause. Dann fragte Beryl: »Hatte sie einen Liebhaber?« Sie hatte so leise gesprochen, dass ihre Worte kaum zu hören waren.
    Es folgte ein langes Schweigen. Sie glaubte schon, Helena hätte ihre Frage tatsächlich nicht mitbekommen. Aber dann sagte sie: »Das sollte nicht verwundern, oder? Madeline hatte etwas Magisches an sich. Sie hatte das gewisse Etwas, das uns anderen fehlt. Das ist das Schicksal, weißt du. Das ist nichts, was man sich erarbeiten kann. Man hat es oder man hat es nicht. Man erbt es wie den berühmten silbernen Löffel im Mund.«
    »Meine Mutter wurde nicht mit einem silbernen Löffel im Mund geboren.«
    »Den brauchte sie auch nicht. Sie hatte ja das gewisse Etwas.«
    Unvermittelt drehte sich Helena um und ging. Doch in der Tür blieb sie stehen und sah Beryl lächelnd an. »Bis morgen. Gute Nacht!«
    Beryl nickte. »Gute Nacht, Helena.«
    Lange starrte Beryl ihr nach. Sie hörte, wie Helena nach oben ging. Beryl ging hinüber zum Kamin und schaute in die verlöschende Glut. Sie dachte an ihre Mutter und fragte sich, ob Madeline jemals hier gestanden hatte, in dieser Bibliothek, in diesem Haus. Natürlich hatte sie hier gestanden.
    Reggie war ihr ältester Freund. Sie hatten sich bestimmt gegenseitig besucht, die beiden Ehepaare, wie früher in England …
    Bevor Helena darauf bestanden hatte, dass Reggie die Stelle in Paris annahm.
    Plötzlich stellte sie sich die Frage:
Warum?
Gab es einen unausgesprochenen Grund dafür, dass die Vanes England so plötzlich verlassen hatten? Helena war in Buckinghamshire aufgewachsen; ihr Zuhause war vielleicht drei Kilometer von Chetwynd entfernt. Es war sicher nicht leicht gewesen, den gesamten Hausstand zusammenzupacken, alles zurückzulassen, was einem lieb war, und in eine Stadt zu ziehen, in der man sich nicht einmal verständigen konnte. Eine solche Entscheidung traf man nicht leichten Herzens.
    Außer, man lief vor etwas davon.
    Beryl hob den Kopf und ertappte sich dabei, wie sie eine lächerliche Figur auf dem Kaminsims anstarrte: einen fetten kleinen Mann mit Gewehr. Darauf prangte die Inschrift:
    »Reggie Vane – Höchstwahrscheinlich wird er sich eines Tages selbst in den Fuß schießen. Tremont Gun Club.« Daneben stand noch mehr Nippes aus Reggies Vergangenheit – eine Fußballmedaille, ein altes Fotos seiner Cricket-Mannschaft, ein versteinerter Frosch. Angesichts dieser Gegenstände schloss Beryl darauf, dass es sich hier um Reggies Privatgemach handelte, den Raum, in den er sich vor der Welt zurückzog. Den Raum, in dem er seine Geheimnisse aufbewahrte.
    Sie sah sich die Fotos an. Nirgends sah sie ein Bild von Helena. Auch auf dem Schreibtisch und auf dem Bücherregal stand keins – was sie merkwürdig fand. In der Bibliothek ihres Vaters standen überall Bilder von Madeline. Beryl ging hinüber zu Reggies Schreibtisch und öffnete leise die Schubladen. In der obersten herrschte das übliche Durcheinander aus Stiften und Büroklammern. In der zweiten Schublade fand sie ein Bündel cremefarbenes Briefpapier und ein Adressbuch. Sie schloss die Schubladen wieder und begann, im Raum auf und ab zu gehen. Sie dachte: Das ist also das Zimmer, in dem du deine privaten Schätze hütest. In dem du deine Erinnerungen versteckst, selbst vor deiner Frau …
    Ihr Blick ruhte auf einem Fußschemel mit Lederbezug. Er schien zu dem Sessel zu gehören, aber er stand falsch, nämlich neben dem Sessel, so dass er seinen Zweck nicht erfüllte … Außer, man wollte ihn als Leiter benutzen.
    Sie sah sich die Mahagoni-Schrankwand an, vor der
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