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Verrat im Zunfthaus

Verrat im Zunfthaus

Titel: Verrat im Zunfthaus
Autoren: Petra Schier
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mir noch einmal von deinen Plänen für die Behandlungsräume. Ich hätte da auch ein paar Ideen, möchte dir aber nicht vorgreifen.»
    ***
    «Dein Freund ist ein sehr angenehmer Mensch», befand Adelina später am Abend. Sie hatte Colin mit in die Schlafkammer gebracht und in seine Wiege gebettet, ohne dass er aufgewacht war. Nun saß sie auf dem Bett und löste ihre zu festen Schnecken geflochtenen schwarzen Haare. Neklas hatte sich bereits unter der Decke ausgestreckt und die Arme hinter dem Kopf verschränkt. «Ja, er ist ein ausgesprochener Menschenfreund. Deshalb hat er sich auch nach dem Studium in Salerno entschieden, den Beruf des Chirurgen zu ergreifen. Er meinte, damit könne er den Leuten besser dienen als mit Harnschau und teuren Elixieren.»
    «Damit könnte er recht haben», lächelte Adelina. «Hast du nicht aus demselben Grund begonnen, dich mit der Kräuterlehre zu beschäftigen?»
    «Wir haben beide einen außergewöhnlichen Weg eingeschlagen», stimmte Neklas zu. «Allerdings blieb seine Entscheidung nicht weniger folgenreich als die meine. Er wurde enterbt, als sein Vater von seinem Ansinnen erfuhr.»
    «Ach?»
    «Jupp war der einzige Sohn und Erbe. Schon, dass er ohne Rücksicht auf die Wünsche der Eltern nach Salerno ging, machte seinen Vater fuchsteufelswild. Dass er dann aber nicht einmal den Arztmantel und die Gelehrtentonsurtragen wollte, sondern lieber gebrochene Knochen flickte und Gliedmaßen amputierte, brachte das Fass zum Überlaufen.»
    «Also kommt er aus einer angesehenen Familie?»
    «Kaufleute», nickte Neklas. «Seit vielen Generationen in Bonn ansässig. Das Geschäft hat nun Jupps Schwager übernommen.»
    «Ist er verheiratet?»
    «Nein.»
    Adelina ließ verwundert den beinernen Kamm sinken, mit dem sie gerade ihr Haar entwirrte. «Nicht? Aber ich dachte … Er sprach doch von seiner Familie?»
    «Er hat zwei kleine Töchter, Zwillinge. Sie sind seine Familie. Die Mutter …» Neklas hielt inne. «Das ist eine traurige Geschichte, Lina. Du solltest ihn nicht darauf ansprechen, wenn er nicht selbst davon anfängt.»
    «Du machst mich neugierig.» Rasch zog Adelina ihr Kleid aus und schlüpfte ebenfalls unter die Decke. Neklas zog sie an sich und erzählte: «Er reiste damals, es mag vielleicht sechs oder sieben Jahre her sein, als fahrender Chirurg durch die Lande. Bei Hamburg, das ist weit im Norden, fast schon am Meer, traf er auf ein junges Mädchen, eine Jüdin, die von zu Hause ausgerissen war. Er nahm sie als Bademagd auf.»
    «Eine Jüdin?»
    «Sie muss ein Engel gewesen sein. Jedenfalls, wie das so geht …»
    «Sie verliebten sich?»
    «Sie war sogar bereit zu konvertieren; er wollte sie heiraten. Doch das geht natürlich alles nicht so einfach, vor allem nicht, wenn man ständig auf Reisen ist. So wurde sie schon vor der Hochzeit schwanger und bekam diebeiden Mädchen. Jupp erkannte die Kinder als die seinen an, sie beschlossen, in Koblenz sesshaft zu werden und dann alle Formalitäten hinter sich zu bringen, damit sie endlich heiraten konnten. Aber auf der Reise dorthin erkrankte Ruth an den schwarzen Blattern und starb.»
    «Oh.» Adelina biss sich betroffen auf die Lippen.
    «Jupp tut alles für seine kleinen Mädchen. Ich habe sie neulich kennengelernt. Ungefähr fünf Jahre sind sie jetzt alt und sehr lieb. Hübsch werden sie wohl auch einmal, allerdings kommen sie sehr nach der Mutter. Sie haben feuerrotes Haar.»
    «O je, auch das noch.»
    «Eine Kinderfrau kümmert sich um die beiden, während Jupp arbeitet.»
    «Das ist wirklich eine traurige Geschichte», sagte Adelina und lehnte ihr Gesicht an Neklas’ Schulter. «Und er hat so von einem gemütlichen Heim geschwärmt … Hat er vor, sich wieder zu verheiraten?»
    «Um der Kinder willen, meinst du?» Neklas blickte nachdenklich zur Decke. «Ich glaube nicht. Und welche Frau will schon zwei halbjüdische Stieftöchter?»
    «Sind sie denn nicht getauft?»
    «Doch, das schon. Aber du weißt doch, wie die Leute sind.»
    «Verbittert wirkt dein Freund jedoch nicht.»
    «Nein, dazu ist er von zu fröhlicher und herzlicher Natur. Er liebt seinen Beruf, das scheint ihm zu genügen.»
    Aus der Wiege klangen leise gurgelnde und brabbelnde Geräusche. Adelina erhob sich noch einmal und warf einen Blick auf ihren Sohn, der jedoch nur kurz die Augen aufschlug, zweimal blinzelte und dann, die Lippen zu einem Lächeln verzogen, wieder einschlief.
    «Ihr werdet also zusammenarbeiten.»
    «Doctore Bertini macht es
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