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Verrat im Zunfthaus

Verrat im Zunfthaus

Titel: Verrat im Zunfthaus
Autoren: Petra Schier
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schien Wulfhart aufzugehen, dass er sein Spiel verloren hatte. Während sie über den Alter Markt liefen, versuchte er sich wortreich aus der Angelegenheit herauszuwinden, erhielt jedoch nur weitere Püffe und Schläge von Thomasius als Antwort, der die Schaufel noch immer bei sich trug. Die Menschen auf dem Markt gafften neugierig, und die Kunde, dass der Medicus und die Apothekerin, statt auf dem Leichenschmaus ihres Vaters zu sein, einen abgerissenen Kerl vor sich her durch die Stadt trieben, verbreitete sich wie ein Lauffeuer. Erst waren es nur zwei, drei Gassenjungen, doch dann folgten ihnen immer mehr Menschen.
    Adelina war es gleich. Sie wollte nur noch zu Griet und das Mädchen in Sicherheit bringen. Wulfhart führte sie an der Dombaustelle vorbei und immer weiter bis hinter das Kloster St. Machabäern. Dort bogen sie in eine schmale, namenlose Gasse ein, in der sich baufällige Hütten aneinanderdrängten. Erst ganz am Ende der Gasse blieb Wulfhart vor einer Hütte stehen. Sie war nicht ganz so verfallen wie die anderen. Es sah aus, als habe der Besitzer sie erst kürzlich wieder in Schuss gebracht.Das Dach war erneuert worden, und die Tür mit einem neuen Eisenriegel versehen. Adelina drehte sich der Magen um, wenn sie daran dachte, dass Griets Stiefvater diese Entführung womöglich schon seit Monaten geplant hatte. Neklas schob den Riegel an der Hüttentür zurück und stieß sie auf.
    Im Inneren war es finster, da alle Fenster mit Brettern vernagelt waren. Es gab nur einen einzigen Raum, in dem in der Mitte eine runde Feuerstelle angelegt war. Daneben lag ein Strohsack mit einer Decke, und an der Wand stand eine Kiste mit schmutzigem Kochgeschirr.
    «Wo ist sie?», fuhr Neklas Wulfhart scharf an.
    Adelina drängte sich an den beiden vorbei in die Hütte. An der Rückwand hatte sie ein weiteres Türchen entdeckt, das zu etwas wie einem alten Schweinekoben führte.
    Adelina schob den Balken, der als Riegel diente, beiseite und zog die Tür auf. Dahinter lag Griet, an Händen und Füßen gefesselt, einen Knebel im Mund, und rührte sich nicht.
    «O mein Gott!» Adelina kniete sich neben das Mädchen und zog es an sich. Hastig versuchte sie, den Knebel zu lösen. Ludmilla trat neben sie. «Warte, ich helfe dir.»
    «Was hast du mit ihr gemacht?», schrie Adelina Wulfhart an und streichelte über Griets Gesicht. Die Haut war warm – gottlob!
    Ludmilla hatte indes einen Holzbecher im schmutzigen Stroh gefunden, sie roch an dem Rest Flüssigkeit. «Sieht mir nach Schlafmohn aus», sagte sie. «Hat ihr wohl zu viel davon gegeben; sie ist fast bewusstlos. Bring sie am besten nach Hause.»
    Thomasius starrte mit offenem Mund auf das Mädchen,dem Wulfhart bis auf das Unterhemd alle Kleider ausgezogen hatte. «Ich gehe und hole den Vogt», sagte er und blickte plötzlich auf die Schaufel in seiner Hand, als sehe er sie zum ersten Mal. «Und dann bringe ich das hier zurück.» Er drehte sich um und eilte los.
    Adelina wickelte Griet in die Decke.
    Neklas hatte Wulfhart noch immer fest im Griff. Seine Miene verriet, dass er dem Mann am liebsten eigenhändig den Hals umgedreht hätte, doch er beherrschte sich.
    Vor der Hütte drängten sich mittlerweile mehrere Dutzend Menschen und versuchten, einen Blick auf das Geschehen zu erhaschen. Sofort verbreiteten sich die wildesten Gerüchte, und die ersten Stimmen forderten, den Unhold am nächstbesten Baum aufzuknüpfen.
    Es dauerte lange, bis Thomasius mit dem Vogt und einem der Büttel zurückkehrte. Der Mönch hatte Scherfgin bereits alles Wissenswerte berichtet, und nach einem Blick auf Wulfhart und Griet ließ dieser den Mann in Ketten legen und zum nächstgelegenen Gefängnisturm bringen.
    Neklas nahm seine schlafende Tochter auf den Arm und brachte sie, gefolgt von Adelina, Ludmilla und Thomasius, nach Hause.
    Die Menschenmenge hatte sich indes gespalten. Einige waren dem Vogt gefolgt und bewarfen Wulfhart mit allem, was der Regen der vergangenen Tage aus den Rinnsteinen auf die Gassen gespült hatte, die anderen zogen in einer Art stiller Prozession hinter Adelina und Neklas her zum Alter Markt.

23
    «Heilige Muttergottes, wenn man bedenkt, was alles hätte passieren können!», rief Benedikta ein ums andere Mal und lief vor Adelina auf und ab, die auf der Ofenbank saß und Colin die Brust gab. «Erst kommst du nicht ins Gasthaus, dann verschwindet Neklas, um nach dir zu sehen, und dann wird auch noch der Gewaltrichter fortgerufen. Ein sehr feiner Mensch
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