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Verrat im Zunfthaus

Verrat im Zunfthaus

Titel: Verrat im Zunfthaus
Autoren: Petra Schier
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auskennen.»
    «Das ist nicht schwierig», sagte Neklas. «Ich bin städtischer Medicus. Jeder Ratsherr, jeder Schreiber oder Gehilfe kennt mich oder weiß zumindest, wer ich bin. Es dürfte niemandem schwerfallen, etwas über meine Familie herauszufinden.»
    «Aber dieser Jemand muss auch verschlagen genug sein, um etwas aus diesem Wissen zu machen», setzte Meister Jupp hinzu.

22
    Ein hagerer, hohlwangiger Pater aus dem Benediktinerkloster hielt in der kleinen Gemeindekirche St. Brigiden die Trauermesse für Albert Merten. Er predigte recht erbaulich über die Vergänglichkeit des Lebens, doch Adelina konnte sich nicht auf seine Worte konzentrieren. Unablässig kreisten ihre Gedanken um Griet. Doch so sehr sie sich auch anstrengte, ihr fiel niemand ein, der für das Verschwinden des Mädchens verantwortlich sein könnte. Dabei hatte sie ständig das Gefühl, etwas übersehen zu haben. Eine Kleinigkeit, einen Anhaltspunkt, der ihr helfen würde, Griet zu finden.
    Sie stand mit der gesamten Familie und dem Gesinde in der ersten Reihe. Hinter ihnen waren die Mitglieder der Zunft sowie die angeschlossenen Gaffelmitglieder versammelt. Es summte wie in einem Bienenstock, und Adelina wusste, worüber man sich das Maul zerriss: Sie standen hier zur letzten Ehre ihres Vaters, während Griets Leiche womöglich längst den Rhein hinuntertrieb und der Entführer irgendwo frei herumlief.
    Viele der Trauergäste hatten Adelina ihr Mitgefühl ausgedrückt, noch bevor man die Kirche betreten hatte. Doch natürlich gab eine solche Geschichte Stoff für den Klatsch der nächsten Wochen.
    Nach der Messe zogen sie hinüber zum Kirchhof. Albert würde seine letzte Ruhestätte neben seiner Frau erhalten. Der Regen hatte endlich nachgelassen. WährendAlbert in seinem schlichten Holzsarg in die Grube hinabgelassen wurde, kam zum ersten Mal seit Tagen die Sonne heraus und ließ die Pfützen, das nasse Gras und die tropfenden Büsche glitzern.
    Adelina hatte das Gefühl, neben sich zu stehen, als der Pater noch einmal das Weihrauchgefäß schwenkte, das letzte Gebet gesprochen wurde und danach die Trauergäste an ihr und der Familie vorbeizogen. Zwei Klageweiber erhoben ihre Stimmen zu einem jammervollen Singsang.
    Die Beileidsbekundungen rauschten an Adelina vorbei. Wieder und wieder dankte sie, antwortete auf mitfühlende Fragen ausweichend und lud zum Leichenschmaus in den
Bären
ein.
    Als der letzte Gast den Kirchhof in Richtung Gasthaus verlassen hatte, legte Neklas ihr seinen Arm um die Schultern. «Geschafft», sagte er leise. «Das Schlimmste haben wir hinter uns.»
    «Ich möchte gerne noch ein bisschen hierbleiben», antwortete sie. «Nur so lange, bis die Totengräber kommen.»
    «Allein?» Er sah sie prüfend von der Seite an.
    Benedikta kam zu ihnen herüber. Sie trug Colin auf dem Arm, der die Messe und die Beerdigung verschlafen hatte. «Du möchtest dich sicher noch einmal in Ruhe von deinem Vater verabschieden, nicht wahr? Komm, Neklas, wir gehen schon mal voran. Bis zum
Bären
sind es doch nur ein paar Schritte, die kann sie auch ohne uns gehen.»
    Neklas löste sich von Adelina und strich ihr eine Haarsträhne, die sich unter ihrer Haube gelöst hatte, aus dem Gesicht. «Und du bist sicher, dass ich nicht bei dir bleiben soll?»
    «Einer von uns sollte den Leichenschmaus eröffnen», erwiderte sie. «Ich muss mich erst ein wenig fangen. Geht nur, ich komme gleich nach. Wenn die Totengräber mit ihrer Arbeit beginnen, kann ich sowieso nicht hierbleiben.»
    Benedikta wandte sich um und rief Mira, Feidgin und das Gesinde zusammen und ging dann mit Neklas voran zur Kirchhofspforte.
    Adelina sah ihnen nach, wie sie hinüber zum Alter Markt liefen, und drehte sich dann wieder zu dem offenen Grab. Der bunte Blumenschmuck, den die Zunft gebracht hatte, leuchtete in der Sonne. Das hölzerne Kreuz, welches man provisorisch aufgestellt hatte, würde in wenigen Tagen durch einen gemeißelten Leichenstein ersetzt werden.
    Hinter ihr raschelte etwas, und als sie sich umwandte, erkannte sie in einiger Entfernung hinter der Friedhofsmauer den schwarzen Umhang eines der Totengräber. Sicher wollten die Männer bald anfangen, das Grab zuzuschaufeln, und warteten darauf, dass sie endlich ging.
    «Es tut mir so leid, Vater», sagte sie und blickte hinunter auf den Sarg, auf dem Blumen verstreut lagen. «Ich wünschte, ich hätte noch einmal mit dir reden können. Wenn du nicht so krank gewesen wärest …» Sie rieb sich über die Augen.
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