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Vermählt mit einem Fremden

Vermählt mit einem Fremden

Titel: Vermählt mit einem Fremden
Autoren: ANNE O'BRIEN
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konnte.
    Sichtlich bewegt und voller Mitgefühl legte Lucius ihr eine Hand auf den Arm. „Wollen Sie uns bitte erzählen, wie Sie Noir in die Hände gefallen sind?“
    Die Geschichte war kurz. Nach Marcus’ Tod beschloss Marie-Claude, seine Familie aufzusuchen, und begab sich in den Schutz einer englischen Offiziersgattin, die sich auf dem Heimweg nach England befand. Die Reise durch das Kriegsgebiet gestaltete sich äußerst beschwerlich, auch weil sie kaum finanzielle Mittel besaß, sodass sie ihr Kind in einer schmutzstarrenden Lehmhütte zur Welt bringen musste. Von Lissabon aus nahmen sie den Seeweg, doch das Schiff wurde in einem Sturm beschädigt und musste in Bordeaux zur Reparatur anlegen. In ihrer Ungeduld wartete sie nicht ab, sondern suchte eine schnellere Reisemöglichkeit, und so traf sie auf Noir, der voll gespielten Mitleids seine Hilfe anbot. In ihrer Unerfahrenheit vertraute sie ihm und seinen Versprechungen, sie sicher nach London zu bringen. Bis sie einen der Kanalhäfen erreichten, hatte sie ihm ihre Geschichte erzählt; erst dort ließ er die Katze aus dem Sack, drohte ihr, wenn ihre neuen Verwandten nicht freigebig wären, werde sie mit ihrem Körper bezahlen müssen. In einem Gasthof entlohnte er eine alte Magd dafür, die junge Frau mit dem Baby Tag und Nacht zu bewachen. Zu Marie-Claudes Glück betrank die Alte sich dann an dem von Captain Henri besorgten Brandy ebenso gründlich wie Noirs Spießgesellen. „Und so …“, schloss Marie-Claude, „… konnte der gute Capitaine mich dort herausholen. Und nun bin ich hier, und es geht mir kein bisschen besser“, rief sie anklagend, „denn Sie wollen mir nicht glauben. Vielleicht verstehe ich es ja sogar, aber ich habe so viel durchgemacht! Was soll ich denn anfangen, wenn Sie mir nicht helfen?“
    „Verzeihen Sie, wenn ich hart wirkte, Madame . Was auch kommt, ich werde Sie jedenfalls nicht mittellos fortschicken.“
    „Aber Sie glauben mir nicht!“
    Lucius überlegte. Unmöglich war es nicht, dass Marcus sich in ein Mädchen wie sie verliebt hatte. Bildhübsch, blitzte dennoch in ihren Augen Willenskraft und Entschlossenheit. Trotzdem mochte sie, von Noir angestiftet und mit einem vaterlosen Kind, auf Stand und Vermögen aus sein.
    Derweilen richtete die kleine Französin sich zu voller Höhe auf und erklärte würdevoll: „Ich danke Ihnen dafür, dass Sie mich von diesem schrecklichen Mann befreit und nach England gebracht haben. Sie, Madame Harriette, waren unglaublich gütig zu mir. Und wir haben den braven Capitaine Rodmell ganz schön genarrt, nicht wahr? Doch ich will Sie nicht länger belästigen. Wenn weder ich noch mein Kind hier erwünscht sind und man mir nicht glaubt, werde ich mich nicht aufdrängen.“ Entschlossen trat sie zu Meggie und fasste zärtlich das Fäustchen des Babys. „Wenn mich bitte jemand zur nächsten Stadt bringen könnte? Ich werde mir Unterkunft und Arbeit suchen. Ich möchte niemandem zur Last fallen.“
    „Nein! So nicht!“, rief Lucius unwillkürlich; wenn er auch nicht wusste, ob er richtig handelte, fand er doch, dass die junge Frau eine so schändliche Behandlung nicht verdient hatte. Sie sollte nicht erneut allein in der Welt dastehen, wie auch immer es um den Wahrheitsgehalt ihrer Geschichte bestellt war. „Nein, Madame , ich glaube, dass Sie von Noir abscheulich behandelt wurden, und werde Sie nicht ganz allein auf sich gestellt gehen lassen. Sie stammen offensichtlich aus vornehmer Familie …“
    „Aus der besten!“ Sie reckte ihr energisches kleines Kinn. „Ich bin eine de la Roche!“
    „Ich werde sicherstellen, dass es Ihnen und Ihrem Kind an nichts fehlt, Madame .“
    Ungnädig erwiderte sie: „Almosen will ich nicht.“
    „Keine Almosen, Madame . Ich lasse keine ins Unglück geratene Dame im Stich, die sich als so tapfer erwiesen hat.“
    „Sie dürfen nicht gehen, Marie-Claude“, fügte Harriette bittend hinzu.
    Ehe die junge Frau antworten konnte, begann das Kind zu wimmern, sodass sie es Meggie abnahm und an sich drückte. Die weiche Decke rutschte fort, denn der kleine Junge begann zu strampeln und reckte seine Ärmchen, nach denen Adam spielerisch griff.
    „Luke, sieh nur! Sieh!“, rief er dann lachend.
    Lucius beugte sich zu dem Kind, sah dann staunend seinen Bruder an und wieder das Kind. Zutiefst bewegt sagte er: „Verzeihen Sie uns, Madame , alle Zweifel sind behoben.“
    Wortlos betrachteten Adam und er das Baby. In der Tat war die Familienähnlichkeit mehr als
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