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Vermählt mit einem Fremden

Vermählt mit einem Fremden

Titel: Vermählt mit einem Fremden
Autoren: ANNE O'BRIEN
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erfahren – und entschieden hatte, was sie mit ihm anfangen würde.
    „Ein Landsmann, den es böse erwischt hat“, erklärte sie obenhin. „Wir wissen nichts über ihn, außer dass seine Kleidung auf Wohlstand schließen lässt. Marcel brachte ihn an Bord, zusammen mit der Ladung, also nahmen wir ihn mit.“ Sie wich George Gadies Blick aus, spürte aber ihre Wangen heiß werden. Lügen fiel ihr nicht leicht.
    „Soll ich ihn übernehmen? Ich kann ihn in Sam Babbacombes Gasthof abladen“, bot Alexander nicht besonders interessiert an.
    „Nein!“, erwiderte sie schärfer als beabsichtigt. „Ich nehme ihn mit.“
    „Wieso denn das?“
    „Egal.“ Die Lippen zusammengepresst, musterte sie den hilflosen Mann. Ihn den groben Händen des Gasthausbesitzers überlassen, der einen mittellosen Verletzten eher sterben lassen würde, als ihn zu pflegen? Niemals! Und außerdem … Unbehagen erfasste sie, als der Mann plötzlich stöhnte, leise nur, eher wie ein Seufzen. Er drehte den Kopf, sodass die hässliche Wunde auf seiner Wange zu sehen war. Aus irgendeinem rätselhaften Grund mochte sie ihn nicht in Alexanders Hände geben. „Er ist sowieso schon halb tot, besser, wir bringen ihn nach Lydyards Pride, das ist näher.“ Und als Alexander die Brauen hob, fuhr sie hastig fort: „Vielleicht kann er uns wichtige Informationen geben. Und vielleicht fällt etwas für uns ab, wenn wir ihm das Leben retten!“
    „Wieso sollte er etwas wissen, das für uns von Vorteil ist?“, fragte Alexander, kniete neben dem Mann nieder und betrachtete ihn forschend. Angespannt beobachtete Harriette ihn. Verdüsterte sich seine Miene? Sie bemerkte seinen scharfen, ironischen Blick. „Wie, Harriette? Du willst ihn retten, den Schutzengel spielen, seine Wunden pflegen?“
    „Unsinn! Wie albern du bist!“ Weder die Neckerei noch die Bosheit in Alexanders Tonfall gefielen ihr, doch sie zwang sich zu lächeln und sagte leichthin: „Hier jedenfalls sollten wir das nicht ausdiskutieren, Alex. Ist die Ladung fortgeschafft?“
    „Ja, nur ein Bündel besonders feiner Spitze habe ich zurückbehalten. In Brighton werden die modebewussten Damen dafür gut bezahlen. Brauchst du hier Hilfe?“ Freundschaftlich schlang er ihr einen Arm um die Taille und küsste sie leicht auf die Schläfe.
    Eine kurze Sekunde lehnte sie den Kopf an seine Schulter. Zu ihrer Erleichterung hatte er das Interesse an dem Fremden verloren. „George und Gabriel werden anfassen. Wenn du nur eins für mich tun willst: Lass meinen Bruder nichts hiervon wissen, sonst wird er gewaltig toben. Wenn Wallace fragt, sag ihm, ich bleibe über Nacht hier oben und kehre erst morgen nach Whitescar Hall zurück. Und wirst du mir bitte Meggie herüberschicken? Sie wird wissen, was nötig ist. Ah, sie soll einen von Wallaces Hausmänteln mitbringen.“
    „Ich werde es ihr ausrichten“, versprach Alexander, während er sie abermals forschend musterte. Dann strich er sanft mit der Hand über ihren Arm.
    Eine seltsam vertrauliche Berührung, fand Harriette, die sie überraschte, sodass sie ein wenig zur Seite trat. Alexander hatte ihr nie etwas anderes als verwandtschaftliche Zuneigung gezeigt, nie den leisesten Versuch zu flirten gemacht oder sich um ihre Aufmerksamkeit bemüht. Sie musste die Geste wohl falsch interpretieren.
    „Vergeude nicht zu viel Energie an deinen blutigen Fang“, fuhr er fort und stieß den Körper leicht mit dem Fuß an. „Vermutlich nicht besonders einträglich. Ich würde ihn zurück ins Meer werfen und Schluss!“
    Noch ein Kuss auf ihre Wange, und er schritt zu seinem Pferd hinüber.
    Der „blutige Fang“, wie Alexander so mitleidlos geäußert hatte, wurde von Gabriel quer über den Rücken eines Ponys gehievt, George nahm das Tier beim Zügel und führte es den steilen, ausgetretenen Pfad nach Lydyard’s Pride, in dessen Turmfenster immer noch hell und willkommen heißend die Laterne brannte.
    Harriette, die neben dem Pony einherschritt, konnte kaum der Versuchung widerstehen, glättend über das dunkle Haar des Fremden zu streichen.

2. KAPITEL
    Auf Lydyard’s Pride angekommen, schafften die Gadies den Mann in eines der vielen leer stehenden Zimmer. Staubig und unwirtlich kalt, wie nun einmal die Räume eines unbewohnten Hauses waren, gab es darin doch zumindest ein Bett mit Nachttisch und einen Stuhl. Im Kamin lag Feuerholz bereit.
    Harriette folgte dem Trüppchen. Wie immer, wenn sie ihr Eigentum betrat, spürte sie, dass sie eigentlich
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