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Verlorene Seelen - Carola Pütz erster Fall (Der neue Roman vom Autor der Oliver-Hell-Reihe)

Verlorene Seelen - Carola Pütz erster Fall (Der neue Roman vom Autor der Oliver-Hell-Reihe)

Titel: Verlorene Seelen - Carola Pütz erster Fall (Der neue Roman vom Autor der Oliver-Hell-Reihe)
Autoren: Michael Wagner
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können. So würde sie eine Menge unangenehmer Fragen zu beantworten haben. Das schmeckte ihr nicht.
    „Sobald wir etwas Vorzeigbares haben, setze ich Sie umgehend ins Bild.“
    Kirchow verabschiedete sich höflich von den Damen und ging zu seinen drei Kollegen herüber, die im Hintergrund bereits auf ihn warteten. Nach einem kurzen Gespräch gingen die Beamten durch die große, verschnörkelte Eingangstüre hinaus.
    *
    Seit ihrem Herzinfarkt war ihre Zwangsstörung weniger ausgeprägt. Es war annähernd so, als könne sie ihre Zählsucht steuern. Beinahe ganz verschwunden war sie kurz nach dem Infarkt selber. Als sie im Krankenhaus aufwachte, sah sie Dr. Beisiegel vor sich. Es war ihr nicht sofort bewusst, aber sie sah nur die Frau vor sich, ohne den Blick im Raum herumgehen lassen zu müssen. Erst wenn sie sich aufregte oder in eine unangenehme Situation kam, prägte sich ihre Störung wieder in beinahe alter Stärke aus. So war es bei dem Gespräch mit der Ärztin gewesen. In ihrem Büro standen sechsundachtzig Fachbücher im Regal hinter ihr. Auf dem Regal standen auch noch fünf Modelle des menschlichen Herzens mit angedeuteten Blutgefäßen. In verschiedener Größe. Zum Auseinandernehmen. Daneben lagen hinter Glas sehr viele Medikamentenproben eingesperrt. Siebenundsiebzig.
    Der Schlüssel steckte. Sehr sinnvoll dachte Dr. Pütz.
    Sie brauchte nicht länger als zwanzig Sekunden zum Zählen all dieser Dinge. Ihren Herzschlag dabei berechnete sie auf einhundertzwanzig Schläge pro Minute. Sie schaute auf die kleine Uhr auf dem Tisch neben der Ärztin, zählte bis dreißig in fünfzehn Sekunden. Also schlug ihr Herz einhundertzwanzig Mal pro Minute.
    Als die Ärztin ihr schließlich die Prognose verkündete, hörte sie auf , zu zählen. Ihr Herzschlag beschleunigte noch. Dann fiel er wieder ab. Jetzt hatte sie Klarheit erhalten.
    Minuten später war alles wieder normal.
    Sie registrierte ihre Umwelt wie ein lebender Scanner, dabei fielen ihr auch unbewusst Dinge auf, die sich bei ihr wie auf einer intuitiv arbeitenden Festplatte ablegten. Wie sehr ihr diese Fähigkeit noch helfen sollte, konnte sie noch nicht ahnen.
    Es gab Agenten, die benötigten jahrelanges Training, um solch einen Status zu erreichen. Blitzschnelles Erfassen von Situationen, Betrachten und Beurteilen von Menschen, Dingen und Verarbeiten von all diesen Informationen. Sie bekam den Status von der Natur geschenkt. Einziger Wermutstropfen daran war, sie spielte jedes Mal mit ihrer Gesundheit. Immer an der Grenze zum nächsten Infarkt durfte sie ihre Gabe nicht überreizen. Doch als sie jetzt im Zug saß und auf ihrem Kindle eBook-Reader einen trivialen Roman las, war ihr davon natürlich noch nichts bewusst.
    Der Roman, den sie las, war nicht wirklich spannend. Das rhythmische Gebrumm des fahrenden Zuges machte sie müde und sie schlief ein. Bis sie in Nürnberg würde umsteigen müssen, in Richtung Marktredwitz, hatte sie noch gut zwei Stunden Zeit. Und ihr Körper musste regenerieren. Schlaf war gut für sie. Selbst, wenn sie sich das nicht zugestehen wollte, so war es dennoch so. In Marktredwitz würde sie in den Vogtland-Express umsteigen müssen. Von dort aus ging die Fahrt geruhsam weiter über Cheb und schließlich käme sie um kurz vor siebzehn Uhr in Mühlhausen an. Der private Shuttlebus würde sie dann zur Klinik bringen.
    Während sie schlief, träumte sie von anderen Klinikinsassen und von endlosen Gesprächen über deren Krankheiten. Hätte sie sich selber betrachten können, so hätte sie ihren angewiderten Gesichtsausdruck im Schlaf sehen können. Gerade erzählte ihr eine Frau mit einem Ausdruck von innerster Begeisterung über ihre letzte Kur in Bad Sooden-Allendorf. Die Frau berichtete von einer Wandelhalle, in der die salzhaltige Sole von oben über Reisig lief. Sie berichtete über die Wohltat, die man spürte, wenn man stundenlang unter dem Dach der Wandelhalle lustwandelte.
       *
    Der letzte Teil der Reise führte von Cheb nach Bad Elster. In Cheb stieg sie in den zweiteiligen, weißen Triebwagen. Die Strecke war seit Nürnberg nicht mehr elektrifiziert. Hier war sie jetzt sogar nur noch eingleisig befahrbar. Der moderne Dieseltriebwagen fuhr recht zügig durch das Vogtland. Dichte, unbelaubte Wälder wechselten sich mit Weiden und Feldern ab und zogen am Fenster vorbei.
    Carola Pütz war mittlerweile sehr gespannt auf ihre Klinik. Ihre Klinik. Wie das klang. Sie musste unwillkürlich schmunzeln.
    Es war kurz vor
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